In der medizinischen Fachsprache wird Reizdarm auch als Colitis irritabile oder Reizdarm-Syndrom bezeichnet.
Hinter dieser Fachbezeichnung steht eine Funktionsstörung des menschlichen Darms: Bestimmte Verdauungsprozesse laufen nicht mehr regulär ab, sodass infolgedessen Magen-Darm-Beschwerden entstehen.
Diese Beschwerden treten jedoch nicht nur kurzzeitig auf, sondern können über Monate, Jahre oder sogar über ein ganzes Leben lang die Betroffenen belasten. Der Leidensdruck, der mit dieser Erkrankung verbunden ist, ist häufig sehr hoch. Die Patienten müssen zahlreiche Arztbesuche und körperliche Untersuchungen über sich ergehen lassen, bis letztendlich auf die korrekte Diagnose gestoßen wird.
Erfahren Sie hier mehr über das Reizdarm-Syndrom, die Symptome, die möglichen Ursachen sowie die Behandlungsmöglichkeiten im Krankheitsfall.
- Die genauen Ursachen für das Syndrom sind bislang noch nicht vollständig geklärt.
- Charakteristische Symptome sind Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen oder auch Verstopfung.
- In vielen Fällen kann eine medikamentöse Behandlung hilfreich sein, so beispielsweise bei Durchfall oder Verstopfung.
- Stressreduktion und eine Ernährungsumstellung sind ein wichtiger Teil der Reizdarm-Behandlung.
- Auch Probiotika oder pflanzliche Naturheilmittel können Beschwerden und Symptome lindern.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Reizdarm-Syndrom – was ist das eigentlich?
- 2 Reizdarm Symptome
- 3 Welche möglichen Ursachen hat diese Erkrankung?
- 4 Welche Rolle spielt die Psyche bei der Entstehung des Reizdarm-Syndroms?
- 5 Reizdarm – wie kann das Syndrom diagnostiziert werden?
- 6 Reizdarm Behandlung
- 7 Reizdarm Ernährung
- 8 Quellen
Reizdarm-Syndrom – was ist das eigentlich?
Reizdarm ist eine funktionelle Störung des Darms, von der rund zehn bis fünfzehn Prozent der deutschen Bevölkerung betroffen ist. Nicht alle Betroffenen empfinden die Beschwerden in gleichem Maße als Einschränkung der eigenen Lebensqualität.
Rund die Hälfte aller Patienten sucht nicht einmal nach medizinischer Hilfe. Die Beschwerden können gering oder auch erheblich ausgeprägt sein.
Reizdarm Symptome
Bei der Einordnung der Erkrankung kommt es wesentlich auf die Symptome an, die im Vordergrund stehen. So kann das Reizdarm-Syndrom in vier verschiedene Krankheitstypen klassifiziert werden:
- Durchfalltyp
- Verstopfungstyp
- Schmerztyp
- Blähungstyp
Neben diesen Hauptformen können jedoch auch noch Mischformen auftreten. So ist es beispielsweise möglich, dass Verstopfung in Durchfall übergeht und sich beide Beschwerden sogar noch am gleichen Tag bemerkbar machen.
In Verbindung mit allen vier Krankheitstypen machen sich zudem folgende Symptome bemerkbar:
- Völlegefühl
- Gefühl, dass der Darm trotz des Stuhlgangs nicht vollständig entleert werden konnte.
- schleimiger Stuhl
Ein ganz charakteristisches Symptom für einen Reizdarm ist zudem, dass diverse Beschwerden nach dem Stuhlgang deutlich besser werden.
Die Reizdarm-Symptome im Überblick:
- Schmerzen: Ein Hauptsymptom dieses Syndroms sind Bauchschmerzen. Diese Schmerzen entstehen aufgrund der gereizten Darmschleimhaut oder aufgrund der Darmwanddehnung. Die können an unterschiedlichen Bauchregionen auftreten und einen ganz eigenen Charakter haben: Der Schmerz kann krampfartig, aber auch ein stechender oder brennender Dauerschmerz sein. Ebenso sind Schmerzen möglich, die einem Seitenstechen ähneln. Auch ein dumpfer Druckschmerz im Unterbauch kann im Zusammenhang mit einem Reizdarmsyndrom auftreten.
- Durchfall: Der Stuhlgang ist meistens sehr weich bis sogar flüssig. Die Betroffenen müssen häufig mehr als drei Mal täglich den Darm entleeren. Häufig leiden Patienten unter einem sehr plötzlich auftretenden Stuhldrang.
- Verstopfung: Auch Verstopfung kann beim Reizdarm-Syndrom auftreten. Die betroffenen Patienten klagen häufig über einen sehr harten Stuhl, der Schafskot ähnelt.
- Blähungen: Im Rahmen eines gesunden Verdauungsprozesses bilden sich im Darm Gase. Beim Reizdarm-Syndrom können sich diese aufgrund einer schlechteren Nahrungsverwertung sowie aufgrund gestörter Darmbewegungen im Übermaß bilden.
Welche möglichen Ursachen hat diese Erkrankung?
Die Beschwerden sind also sehr vielfältig und variieren in ihrer Intensität und Dauer von Mensch zu Mensch. Ebenso ist es mit den Ursachen für das Reizdarm-Syndrom. Zudem konnten die genauen Ursachen für das Syndrom bislang noch nicht wissenschaftlich belegt werden. Dennoch gibt es einige Auslöser, die das Risiko für Darmfunktionsstörungen erhöhen können, so beispielsweise:
- Veränderungen der Darmflora, also der natürlichen Besiedelung der Darmschleimhaut durch Mikroorganismen
- kleine Darmentzündungen
- erbliche Vorbelastungen
- psychische Einflüsse
- häufige vorausgegangene Magen-Darm-Infektionen
- Überempfindlichkeit des Darms, beispielsweise auf Stress oder bestimmte Nahrungsmittel
- Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Motilitätsstörung
Experten gehen davon aus, dass beim Reizdarm die natürlichen Bewegungen des Darms beeinträchtigt sind. Das heißt, dass die Bewegungen, die zur Weiterbeförderung der bereits verdauten Nahrung notwendig sind, nicht einwandfrei ablaufen. Diese Darmperistaltik wird durch ein eigenes Nervensystem gesteuert, das sogenannte Bauchhirn, das sich in der Darmwand befindet.
Gemeinsam mit dem Botenstoff Serotonin steuert dieses Bauchhirn die Verdauungsprozesse. Es regt die Darmmuskulatur an und sorgt infolgedessen für einen Wechsel zwischen Kontraktionen und Entspannungen im Darm.
Beim Reizdarm-Syndrom gibt dieses Bauchhirn falsche Anweisungen: Die Muskulatur zieht sich viel zu schnell oder zu langsam zusammen und kann sich auch nicht mehr richtig entspannen. Die verdaute Nahrung wird somit viel zu rasch weiterbefördert. Wenn anschließend im Dickdarm nicht mehr ausreichend Wasser entzogen werden kann, kommt es zum Durchfall.
Ebenso kann es dazu kommen, dass sich die Darmmuskulatur zu langsam bewegt und infolgedessen eine Verstopfung auftritt.
Veränderung der Darmflora
Im Darm befinden sich unzählige Mikroorganismen, das heißt, Pilze, Bakterien und Viren. Sie alle haben lebenswichtige Funktionen und sorgen durch die Besiedelung des Darms für ein intaktes Immunsystem und somit eine starke Abwehr.
Die exakte Zusammensetzung der Darmflora ist abhängig von den individuellen Ernährungsgewohnheiten, dem gesundheitlichen Zustand einer Person sowie dem Lebensalter. Reizdarm-Patienten haben häufig eine veränderte Darmflora: So ist beispielsweise die Anzahl der wertvollen Laktobazillen, der Milchsäurebakterien, deutlich vermindert. Ob eine gestörte Darmflora tatsächlich zum Reizdarm-Syndrom führt, ist bisher noch nicht wissenschaftlich bewiesen.
Häufige Magen-Darm-Infektionen als Ursache für das Reizdarm-Syndrom?
Einige wissenschaftliche Forschungsstudien belegen, dass ein Reizdarm-Syndrom infolge zahlreicher Infektionen des Magen-Darm-Trakts auftauchen kann. Hierfür sollen bestimmte Bakterien verantwortlich sein.
Welche Rolle spielt die Psyche bei der Entstehung des Reizdarm-Syndroms?
Das Reizdarm-Syndrom ist ein Zusammenspiel der Psyche, des Hirns sowie des Bauches. Über bestimmte Botenstoffe steht das zentrale Nervensystem in einer direkten Verbindung mit dem Darmnervensystem (Bauchhirn).
Experten vertreten die Annahme, dass das Bauchhirn bei betroffenen Reizdarm-Patienten überaktiv ist. Diese Überaktivität kann wiederum die Psyche beeinflussen.
Verschiedene wissenschaftliche Studien konnten aufzeigen, dass das Reizdarm-Syndrom häufig mit chronischen Stresszuständen, Depressionen, seelischen Traumata sowie Angststörungen einhergeht.
Es ist also ganz egal, ob es sich um seelischen Kummer oder beruflichen Stress handelt: Psychische Belastungen können die Symptome oftmals noch verschlimmern. Kann der Stress reduziert werden, mildert das häufig auch die Intensität der Begleiterscheinungen des Reizdarms.
Das Reizdarm-Syndrom an sich ist aber definitiv keine psychische Erkrankung.
Reizdarm – wie kann das Syndrom diagnostiziert werden?
Die Diagnose beim Reizdarm-Syndrom ist besonders schwer und beruht grundsätzlich auf einer Ausschlussdiagnose. Andere Erkrankungen, die ähnliche Ursachen oder Symptome haben, müssen also erst ausgeschlossen werden. Betroffene sollten in diesem Fall einen Facharzt für innere Medizin aufsuchen, denn er ist hier der passende Ansprechpartner.
- In einem Anamnesegespräch werden zunächst einmal die vorhandenen Beschwerden und mögliche Vorerkrankungen besprochen.
- Anhand der Beschwerden und Symptome, die der Patient schildert, kann der Arzt bestimmte andere Krankheiten ausschließen.
- In vielen Fällen kann auch ein Ernährungstagebuch sehr wertvoll sein, um mögliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten rechtzeitig zu erkennen.
- Für die Diagnose des Reizdarm-Syndroms stehen auch spezielle Fragebögen zur Verfügung.
- Im Mittelpunkt der körperlichen Untersuchung steht vor allem der Bauchraum. Dieser wird zunächst mit dem Stethoskop abgehört, um ungewöhnliche Geräusche in der Darmtätigkeit feststellen zu können. Bei einem Reizdarm-Syndrom bewegt sich der Darm ungewöhnlich stark.
- Des Weiteren wird die Bauchdecke abgeklopft, um festzustellen, ob der Darm mit Luft oder mit Stuhl gefüllt ist. Der charakteristische Klang gibt hierüber mehr Aufschluss. Bei Blähungen entsteht beispielsweise eine ganz typische Resonanz.
- Als letzter Schritt wird der Bauch vom Arzt abgetastet, um zu erspüren, ob beispielsweise bestimmte Darmabschnitte verdickt sind.
Des Weiteren stehen zur Diagnose eines Reizdarm-Syndroms noch folgende Untersuchungen zur Verfügung:
- Ultraschall des Bauchs, um damit andere mögliche Ursachen wie zum Beispiel Gallen‑, Leber- Bauchspeicheldrüse- oder Nierenerkrankungen auszuschließen.
- Laboruntersuchungen können auf mögliche Entzündungsprozesse im Körper hindeuten.
- Darm- und Magenspiegelung: Unter Umständen kann auch eine Biopsie, also eine kleine Gewebeentnahme der Schleimhaut notwendig sein.
- Prüfung von möglicherweise vorhandenen Nahrungsmittelunverträglichkeiten, wie zum Beispiel Fruktose- und Laktoseintoleranz oder eine Glutenunverträglichkeit.
Reizdarm Behandlung
Leider gibt es bislang keinen gültigen Therapieansatz. Welche Behandlung den größten Erfolg bietet, hängt von den Symptomen, ihrer Ausprägung sowie dem einzelnen Patienten ab. Betroffene sollten aufmerksam auf ihren eigenen Körper hören.
Auch Tagebuchaufzeichnungen sind sehr empfehlenswert, um das eigene Ernährungsverhalten sowie wichtige Einflussfaktoren wie zum Beispiel Stress zu erfassen und festzuhalten.
Es gibt unterschiedliche Therapieansätze, so beispielsweise:
- Behandlung mit Medikamenten: Das Ziel der Therapie ist, immer die Symptome zu lindern und den Betroffenen ein Plus an Lebensqualität zu geben. Durchfall kann beispielsweise sehr gut medikamentös behandelt werden, so beispielsweise durch sogenannte Gallensäurebinder. Auch Pektin, das in Äpfeln vorhanden ist oder wasserlösliche Ballaststoffe können den Durchfall stoppen.
- Behandlung der Verstopfung: Hier ist körperliche Bewegung besonders hilfreich, um die natürlichen Darmaktivitäten wieder anzuregen. Des Weiteren sollte reichlich getrunken werden. Auch hier kann zu Medikamenten wie beispielsweise ein Abführmittel gegriffen werden. Die Natur bietet zudem wertvolle Unterstützung im Kampf gegen Verstopfung: Fenchel, Kümmel, Pfefferminze und Anis können den Darm beruhigen.
- Gegen Blähungen können pflanzliche Helfer wie Pfefferminz- oder Kümmelöl gute Ergebnisse zeigen.
- Entspannung: Chronische Überlastung und übermäßiger Stress gelten als maßgebliche Ursache für Reizdarm. Auch hier kann ein persönliches Tagebuch sehr hilfreich sein, ungünstige Einflussfaktoren ans Licht zu bringen. Yoga oder autogenes Training sind ebenfalls sehr wirksame Methoden, um Stress zu reduzieren.
Reizdarm Ernährung
Reizdarm Patienten müssen einen besonderen Fokus auf ihre Ernährung setzen, denn ihr Darm reagiert wesentlicher sensibler auf Nahrungsmittel und Inhaltsstoffe.
Schwer verdauliche Nahrungsmittel sind somit nicht empfehlenswert, denn sie belasten den Darm nur unnötig. Auch hier gibt es jedoch keine allgemeingültigen Empfehlungen.
Ballaststoffe spielen aber eine große Rolle beim Reizdarm-Syndrom. Insbesondere bei Verstopfung können sie wirksam weiterhelfen.
Ernährungstipps beim Reizdarm-Syndrom:
- langsam essen und gründlich kauen
- Beim Essen nicht unnötig Luft schlucken.
- Mehrere kleine Mahlzeiten sind besser als wenige große.
- Viel trinken, im Idealfall kohlensäurearmes Wasser.
- Stark gewürzte Gerichte können den Magen und den Darm reizen.
- Passen Sie auch mit Genussmitteln wie Kaffee, Nikotin und Alkohol auf.
- Auch Milchprodukte können bei manchen Menschen aufgrund der Laktose Beschwerden hervorrufen.
- Verzichten Sie auf Fertigprodukte, Zuckeraustauschstoffe und künstliche Geschmacksverstärker.
- Reduzieren Sie Weißmehlprodukte in der täglichen Ernährung.
- Fettreiche Speisen sollten ebenfalls gemieden werden.
- Achten Sie beim Zubereiten der Mahlzeiten auf hochwertige Nahrungsmittel sowie eine bestmögliche Nährstoffzusammensetzung.
- Essen Sie nicht zu spät, um den Darm mit der Verdauung nicht zu sehr zu belasten.
- Essen Sie insbesondere am Abend nicht zu üppig.
- Achten Sie auf regelmäßige Mahlzeiten.
- Genießen Sie und essen Sie in einer entspannten Atmosphäre.
Quellen
- Internisten im Netz — Symptome des Reizdarms
- Deutsche Reizdarmselbsthilfe — Hilfe bei Reizdarm
- Gesundheitsinformation — Was hilft bei Reizdarm – und was nicht?
- Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft — Ernährung (z. B. FODMAP-Diät*) in der Behandlung des Reizdarmsyndroms