Der Darm rückt vermehrt in den Fokus der Wissenschaft. Dazu beigetragen hat unter anderem die Erkenntnis, dass das sich im Darm befindliche Mikrobiom (Darmflora) nicht nur auf die Verdauung auswirkt, sondern auch auf andere Bereiche des Körpers. Zusätzlich weiß man immer mehr über die Eigenständigkeit des darmeigenen Nervensystems sowie über die Kommunikation des sogenannten Bauchgehirns mit dem Gehirn im Kopf. Der Darm ist unmittelbar an die menschliche Gesundheit gekoppelt und wirkt sich sogar auf die Psyche aus.
Inhaltsverzeichnis
Die Bedeutung unseres Darms
- Der Darm ist Immunkomponente, Ökosystem und Verdauungsapparat.
- Die Gesamtheit der Bakterien, die in ihm wohnen, wird Darmflora genannt.
- Eine gestörte Darmflora kann viele Beschwerden hervorrufen.
- Der Darm ist mit einem eigenen Nervensystem ausgestattet, welches als “Bauchgehirn” bezeichnet wird.
- Der Zustand unseres Darms ist beeinflussbar – von innen und außen.
Die Darmflora in Zahlen
Die Darmflora unterscheidet sich von Mensch zu Mensch und von Ernährung zu Ernährung. Dennoch haben sich bestimmte Bakterienstämme sehr wohl an den menschlichen Darm angepasst und stellen den Großteil des Mikrobioms dar.
In Zahlen lässt sich Folgendes sagen:
- Die Darmflora wiegt zwischen 1000 und 2000 Gramm.
- Ein Drittel der Trockenmasse des Kots ist Darmflora.
- Es sind Bakterien und weitere Einzeller vorhanden.
- Die Anzahl der Darmbewohner beträgt circa 39 Billionen.
- Es sind mindestens 500 verschiedene Arten pro Mensch vorhanden.
- 99 % der Darmbewohner gehören vier Bakterienstämmen an.
- Fast alle Darmbewohner sind anaerob (brauchen keinen Sauerstoff).
Zusätzlich besitzt der Darm ein eigenes Nervennetzwerk. Die Darmflora beeinflusst das Immunsystem und setzt unter anderem Vitamine frei.
Das Bauchgehirn
Das Nervensystem des Darms, welches circa 100 bis 200 Millionen Nervenzellen enthält, wird durch Rezeptoren im Darm beeinflusst und kommuniziert seinerseits mit dem Gehirn. Es ist vor allem für die Darmaktivität zuständig und arbeitet eigenständig. Das heißt, dass der Mensch seine eigene Verdauung nicht durch Hirnaktivität beeinflussen kann – was in Anbetracht dieser komplexen und andauernden Tätigkeit auch wünschenswert ist.
Außerdem meldet das Bauchgehirn Probleme mit dem Verdauungstrakt, etwa Vergiftungen und Krämpfe. Diese lösen unmittelbare Reaktionen des Körpers aus, die von Schmerzen bis zu Durchfall oder Erbrechen reichen. Auch dies sind keine Empfindungen, die das Gehirn bestimmt. Vielmehr reagiert es mit diesen Empfindungen auf die Signale von weiter unten, welche größtenteils über den Vagusnerv an das Gehirn gelangen.
Die Aktivitäten und Empfindungen des Menschen scheinen dabei, zumindest in diesem Zusammenhang, nahezu ausschließlich durch die Impulse des sogenannten Bauchgehirns bestimmt. Anders als andere Nerven des Körpers ist das im Darm vorhandene Nervensystem kein reiner Befehlsempfänger. Auch aufgrund der puren Masse an Nervenzellen ist von einer gewissen Eigenständigkeit auszugehen. Dieses „enterische Nervensystem“ kommt in der Form nur im Verdauungstrakt vor.
Die Aufgaben des enterischen Nervensystems:
- Kontrolle der Peristaltik (Muskeltätigkeit des Darms)
- Durchlässigkeit der Darmwände
- Feststellung von zu viel oder zu wenig Nahrung (Hunger und Völlegefühl)
- Weiterleiten von Problemen an das Gehirn
- Kontrolle der Absorption von Nährstoffen
- Modulierung des Immunsystems
Entsprechend der Funktionen dieses Nervengeflechts können auch hier Fehlfunktionen und Krankheiten vorkommen. Beispielsweise verwendet auch das Darmgehirn Neurotransmitter wie etwa Serotonin und Dopamin – Hormone, die unter anderem eine Rolle bei Depressionen und Gedächtniserkrankungen spielen.
Der Darm als Einfluss auf die Gesundheit
Dass ein gutes Verdauungssystem sich insgesamt positiv auf die Gesundheit auswirkt, ist bekannt. Eine gute Verdauung sorgt immer für ein insgesamt leichteres Leben. Wer Verdauungsprobleme hatte oder hat, weiß, wie angenehm Funktionalität in diesem Bereich ist. Aber zusätzlich hat der Darm eben nicht nur aufgrund seiner rein physiologischen Aufgabe einen Einfluss auf den Menschen. Auch die Tatsache, dass das Darmnervensystem reagiert und kommuniziert, wirkt sich aus – und aufgrund der mangelnden Kontrolle über das Bauchgehirn tut es das meist unterbewusst.
Parallelen zwischen dem „Bauchhirn“ und Gehirn
Das Nervengeflecht in den Darmwänden ist ebenso wie das des Gehirns komplex, dennoch unterscheiden sich die Funktionsweisen erheblich. Der Darm wird vom Sympathikus und vom Parasympathikus beeinflusst und ist nicht in weiße und graue Substanz (Mark und Rinde) gegliedert. Und gerade diese gewisse Ähnlichkeit sowie die Tatsache, dass das Bauchgehirn in gewissen Grenzen “lernfähig” ist, auch wenn sich diese deutlich vom aktiven Lernen unseres Gehirns unterscheidet (insbesondere in Bezug auf die Immunabwehr im Darm sowie auf die Reaktion auf Gifte), spricht sehr dafür, dass es die menschliche Psyche mit beeinflusst. Es mag zwar ein recht eigenständiges Nervengeflecht sein, aber es ist untrennbar mit dem Haupthirn im Kopf verbunden.
Entscheidungen aus dem Bauch heraus zu treffen, den sprichwörtlichen Schlag in die Magengrube zu spüren oder Schmetterlinge im Bauch zu haben – all diese Redensarten lassen sich wissenschaftlich untermauern. Denn ja: Auch das Bauchgehirn kann an Empfindungen mitwirken. Es kann sowohl aktiv am Fühlen mitwirken (Schmetterlinge im Bauch) als auch reagieren (Schlag in die Magengrube). Warum und wie es das tut, ist nicht in Gänze bekannt. Aber es ist davon auszugehen, dass auch das Darmnervensystem durch hormonelle Schwankungen (ausgelöst durch emotional fordernde Ereignisse) stark beeinflusst werden kann.
Gleichzeitig stellt ein gut funktionierender Darm auch sicher, dass die Darmflora einigermaßen im Gleichgewicht bleibt. Das Immunsystem des Darms garantiert dafür, dass die Darmflora nicht zulasten des Menschen geht. Dies bedeutet, dass der Darm hier aktiv wie passiv daran mitwirkt, welche Lebewesen sich ansiedeln und welche abgestoßen werden. Die Einzeller, die der Darmflora zuträglich sind, sind meistens auch jene, die bei der Verdauung helfen. Dies registriert der Darm ebenfalls und lässt diese gewähren.
Darmflora und Darmnervensystem arbeiten also zusammen. Beides gemeinsam beeinflusst die Verdauung sowie die Darmaktivität. Und dies wiederum beeinflusst direkt und indirekt das Wohlbefinden des Einzelnen. Gleichzeitig ist das Bauchgehirn an psychischen Prozessen beteiligt. Gründe genug für einen gesunden Darm, oder?
Was ein gestörter Darm für Auswirkungen haben kann
Ein gesunder Darm verdaut ordentlich, sorgt für einen annehmbaren Stuhlgang und ist nicht mit Krämpfen und Schmerzen verbunden. Im Idealfall macht man sich um seine eigene Verdauung keine Gedanken, weil alles funktioniert.
Der Darm als lebenswichtiges Organ kann bei Fehlfunktionen aber zu einer Reihe von Beeinträchtigungen führen. Darunter sind, ganz banal, erst einmal folgende:
- Verdauungsprobleme aller Art
- Stoffwechselprobleme
- Schmerzen, Krämpfe
- Missempfindungen
Diese Symptome können den Körper insgesamt schwächen und Antriebslosigkeit, Schwäche, Verstimmungen und Appetitprobleme hervorrufen. Gleichzeitig beschäftigt viele Menschen mit Verdauungsproblemen dieses so stark, dass sie psychisch belastet werden.
Das Bauchgehirn als solches ist nicht ursächlich für Erkrankungen des Gehirns. Wohl wurde aber festgestellt, dass krankhafte Veränderungen im Gehirn, wie sie bei Parkinson oder Depressionen vorkommen, auch im Bauchgehirn sichtbar sind – häufig sogar, bevor die Krankheit symptomatisch wird. Es stellt sich also die Frage, inwiefern ein Erhalt der Darmfunktion und ‑gesundheit hier vorbeugend oder hinauszögernd wirken kann und ob dies der Fall ist. Dies ist noch Gegenstand der Forschung.
Von Durchfall bis zur Depression reichen also die Symptome, die durch einen gestörten Darm ausgelöst werden können. Ansetzen kann der Einzelne bei der richtigen Stimulation seines Darms (Ernährung, Bewegung etc.) sowie damit, sich überhaupt über dieses komplexe Organ bewusst zu werden.
Was dem Darm guttut
- abwechslungsreiche Ernährung
- Zuführen von wichtigen Nährstoffen
- Aufnahme von Ballaststoffen, die die Darmwände reinigen
- viel Bewegung
- genügend Flüssigkeit zu sich nehmen
- Wärme
- leichte Massage des Bauches
- Stress reduzieren
Der Darm benötigt zur Funktion Energie, Botenstoffe und eine sprichwörtliche freie Bahn. Auch das Darmgewebe funktioniert besser, wenn die Durchblutung stimmt und Nährstoffe vorhanden sind. Gleichzeitig sind an den Prozessen einfache physikalische Gegebenheiten beteiligt; wo viel durchläuft, muss viel gearbeitet werden. Wo zu viel ankommt, kommt es zu Blockaden.
Der wohl am besten zu regulierende Ansatzpunkt ist die Darmflora. Wünschenswert sind all jene Einzeller, die dem Menschen beim Verdauen helfen, ohne übermäßig viele Gase und Toxine zu bilden. Hier sind (auf Gattungsnamen wird hier der Übersicht halber verzichtet) etwa jene Bakterien zu nennen, die besonders gut Milchprodukte oder Pflanzenfasern aufspalten können, zu nennen. Interessanterweise gibt es Bakterien, die Nahrung sehr effizient verfügbar machen (hohe Energiezufuhr) und solche, die dies nicht tun. Es gibt auch solche, die besonders viel Energie freisetzen und an Übergewicht beteiligt sein können.
Grundsätzlich ist die Darmflora ein Ökosystem, in welchem sich Konkurrenten (die Einzeller) die Waage halten. Ein Überschuss einer bestimmten Population führt zu einem Ungleichgewicht, welches wiederum zu Verdauungsstörungen und Bauchbeschwerden führen kann. Das Bauchgehirn reagiert entsprechend mit Abwehrreaktionen.
Da die Einzeller unterschiedlich spezialisiert sind, ist Vielseitigkeit auf dem Teller ein guter erster Ansatz. Grundsätzlich bedeutet ein breit gefächertes Nahrungsangebot auch, dass das Darmmikrobiom vielseitig beschäftigt wird. Dies verhindert eine einseitige Belastung und das einseitige Wachsen von bestimmten Populationen.
Außerdem sind auch Ballaststoffe in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen. Nicht nur, dass sie aufquellen und den Stuhlgang verbessern. Auch wirken sie rein physikalisch, indem sie durch ihre Konsistenz tote Lebewesen sowie nicht verdauliche Reste aus den Darmwänden schaben und in Richtung Ausgang befördern. Häufig wird in diesem Zusammenhang höchst unwissenschaftlich von Schlacken gesprochen. In jedem Fall ist eine solche Reinigung der Darmwände sinnvoll und entlastet den Darm.
Die Bedürfnisse des Darms
Der Darm muss arbeiten. Hierfür braucht er Flüssigkeit und Energie. Er braucht verschiedene Nährstoffe, damit auch alle Bereiche gut stimuliert werden. Und gleichzeitig ist das Bauchgehirn ein sehr viel beschäftigtes Nervengeflecht. Wenn der Mensch viel tut und die Energie anders braucht, kommt die Verdauung zum Erliegen. Das ist auch ein Grund dafür, warum nachts besonders viel verdaut wird.
Aber auch Bewegung wirkt sich positiv auf die Darmtätigkeit aus, genau wie Wärme oder eine leichte Massage des Bauches. Viele Darmbeschwerden sind an Stress und Belastungen gekoppelt. Entsprechend ist es nicht sinnvoll, in solchen Situationen auch noch zu viele Gedanken an die eigenen Darmbeschwerden zu verschwenden. Der Darm schafft vieles von allein, wenn man ihm Zeit lässt – er ist effektiv und weiß selber, was er tut.
Antibiotika und Probiotika
Antibiotika schädigen teilweise die Darmflora so erheblich, dass es Wochen dauert, bis diese wieder reguliert ist. Probiotika – das klingt doch sehr viel besser. Für das Leben (im Darm) sollen sie sein. Doch was ist tatsächlich dran?
Eine israelische Studie hat sich intensiv mit der Frage, was Probiotika tun, beschäftigt. Neben der Feststellung, dass die meisten probiotischen Kulturen sich nicht in die Darmflora integrieren, kam es auch zu der Erkenntnis, dass die Aufnahme von Probiotika nach einer Antibiotika-Therapie kontraproduktiv ist: Sie verzögern nämlich die Wiederbesiedlung durch die eigentlich gesunde und körpereigene Darmflora.
In Fällen, in denen die Darmflora irreparabel zerstört ist, bzw. bei wiederholter Infektion mit dem Bakterium Clostridium difficile, kann eine Stuhltransplantation angeraten sein. Dafür wird der gereinigte und aufbereitete Spenderstuhl dem Empfänger in den Darm verbracht. Als Spender kommen überwiegend Familienmitglieder oder Personen aus dem Empfängerhaushalt in Frage.
Damit ein Spender geeignet ist, muss er gesund sein und darf innerhalb der letzten Monate keine Antibiotika genommen haben. Der aufbereitete Stuhl wird dann über eine Magensonde (eingeführt über ein Nasenloch), in den Zwölffingerdarm oder per Einlauf in den Darm verbracht. Da für viele Patienten, die eine Stuhltransplantation benötigen, der Ekelfaktor hoch ist, gibt es Bestrebungen, den aufbereiteten Stuhl in Form von Kapseln oral zu verabreichen.
Probiotika sind, zumindest wissenschaftlich betrachtet, größtenteils nicht wirksam oder nicht bewiesen wirksam. Allerdings ist der Wert des Placebo-Effektes (der Darm ist schließlich auch an die Psyche gebunden) nicht zu unterschätzen. Gesunde Menschen können auf diese bedenkenlos zurückgreifen. Ob und wie sie wirken, ist allerdings teilweise unbekannt. Entsprechend gelten viele Probiotika weder als notwendig noch als sinnvoll.
Fazit
Der Darm ist eines der komplexesten Organe des Menschen. Er enthält Lebewesen, entsorgt nicht Gebrauchtes und führt dem Körper gleichzeitig Energie zu. Er agiert eigenständig und beeinflusst den Menschen dennoch, was als Bauchgehirn bekannt ist. Wie viel Einfluss dieses wirklich hat, ist nicht abschließend geklärt. Dass es aber maßgeblich an der Stimmung beteiligt ist und Unwohlsein übertragen kann, ist bekannt. Der Darm ist etwas, was viel gefordert wird – schließlich wandert täglich Nahrung in allen Formen durch ihn. Manchmal muss der Darm deshalb auch gefördert werden. Und manchmal braucht er einfach Ruhe.