Das Appetit anregende herzhafte Frühstück mit Brötchen am Morgen, um 12 Uhr dann der Schweinsbraten mit Knödel, gegen Nachmittag wird eine Kaffee- und Kuchen-Pause eingeschoben und abends das Wurstbrot verdrückt. So sieht der Essensalltag eines Deutschen im Durchschnitt aus. Ob Hunger oder nicht, in der heutigen Zeit essen wir meistens nach gewohnten Uhrzeiten und nicht, um unser Hungergefühl zu stillen.
Doch ist eine Nahrungsaufnahme nach Gewohnheit sinnvoll oder essen wir falsch?
Ernährungsexpertin Sandra Hirth erklärt uns im Folgenden, wieso wir überhaupt Nahrung zu uns nehmen und was es dabei zu beachten gilt.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Warum essen wir eigentlich?
- 2 Irreführender Appetit
- 3 Einflüsse auf unseren Hunger
- 4 Hunger oder Appetit?
- 5 Wann sollte man nicht essen?
- 6 Appetit gestillt – doch wann kommt das Sättigungsgefühl
- 7 Einfluss der Psyche auf das Essverhalten
- 8 Tipps gegen Heißhungerattacken
- 9 Quellen
Warum essen wir eigentlich?
Unser Körper funktioniert bildhaft gesprochen wie der Motor eines Autos. Er benötigt gute Treibstoffe, die ihn zum Laufen bringen. Durch den Hunger, den wir verspüren, signalisiert der Körper uns ein Fehlen von bestimmten Stoffen, die er benötigt, um seine Prozesse aufrechtzuerhalten. Dazu gehören beispielsweise die Atmung, das Bilden von Körperflüssigkeiten, ein intaktes Herz und die Bewegung der Muskulatur. Solche Abläufe verbrauchen Energie, die der Körper sich aus der Nahrung zieht, die wir zu uns nehmen.
Allerdings spielt hierbei auch die Zusammensetzung dessen, was wir essen, eine wichtige Rolle. Um alle Prozesse zu bedienen, sollte sich die Nahrung aus einem Mix aus Vitalstoffen und Nährstoffen zusammensetzen. Zu Letzteren gehören die Fette, welche den Hormonwechsel unterstützen, die Kohlenhydrate, die als schnellster Energielieferant zählen und die Eiweiße, die zum Aufbau von Muskelmasse und zur Nachbildung von Zellen notwendig sind.
Es wird also deutlich, dass die Nahrung gut durchdacht und gewählt sein muss, damit sie die Aufgabe erfüllt, den Körper hochwertig aufzutanken.
Irreführender Appetit
Wir leben in einer Zeit und Region des Überflusses. Hunger kennen wir in der Regel nicht mehr wirklich. Was uns viel häufiger befällt, ist Appetit1) oder auch Heißhunger auf bestimmte Speisen. Das ist eine der Ursachen dafür, dass wir immer dicker werden.
Der Verlust des Gefühls, wann bei uns eine Sättigung eintritt, ist gefährlich. Wir essen oft unkontrolliert. Gemeinsames Essen aus sozialen Aspekten wirkt zusätzlich appetitanregend. Allerdings auch das Essen “nebenbei” wie etwa beim Fernsehen gehört zu den Faktoren, die uns dick werden lassen.
Einflüsse auf unseren Hunger
Der Hunger kann von diversen Faktoren beeinflusst werden. Das geht tatsächlich schon im Mutterleib los: Dort wird je nach Ernährungsweise der Mutter ein Geschmack und eine Neigung zu gewissen Lebensmittel entwickelt.
Zudem stellt sich der Körper im Laufe des Lebens auf Häufigkeit und Menge der zu sich genommenen Nahrung ein. Das bedeutet, dass sich das Hungergefühl meldet, sobald das Energielevel abfällt. Ist man gewohnt, oft zu essen, wird sich der Hunger wenige Stunden nach dem Essen wieder bemerkbar machen.
Außerdem gewöhnen wir uns natürlich neben Uhrzeit und Menge noch an die Art, was wir essen. Ob würzig, süß, scharf oder salzig: die Vorlieben, die wir zu bestimmtem Essen haben, sind antrainiert.
Essen ist also eine maßgebliche Gewohnheitssache. Wir können dem Körper eine gewünschte Menge und festgelegte Zeiten antrainieren.
Hunger oder Appetit?
Der Zuruf eines guten Appetits vor dem Essen kommt nicht von ungefähr: Der Appetit definiert die Lust oder das Verlangen, etwas Bestimmtes zu essen. Er gründet sich nicht wie das Hungergefühl auf Mängelsignale des Körpers.
Deshalb dient ein Essen aufgrund von Heißhungerattacken auch nicht unbedingt der Zufuhr momentan notwendiger Stoffe.
Wir müssen sowohl das Hunger- als auch das Appetitgefühl dahingehend schulen, dass wir nur dann essen, wenn der Körper gerade wirklich Nährstoffe benötigt und uns von einem Gewohnheitsschema loslösen. Denn gerade unsere Hungerwahrnehmung wird von vielen Faktoren geprägt. Beispielsweise tragen industriell hergestellte Produkte, die wir zur Genüge konsumieren, dazu bei, dass aufgrund der hohen Kohlenhydratmenge der Insulinspiegel rapide ansteigt. Man verliert irgendwann das Gefühl von Hunger.
Der in diesen Nährstoffen enthaltene Zucker sorgt nämlich dafür, dass im Gehirn Glückshormone bereitgestellt werden. Deshalb greifen zum Beispiel Frauen während ihrer Menstruationsphase gerne mal zum Schokoriegel, da die Hormone dann den gefallenen Östrogenhaushalt und somit die Laune wieder anheben.
Da man sich also nicht immer auf das Hungergefühl verlassen kann, sollte man sich, sobald der Magen knurrt, immer fragen, ob der Appetit gerade etwas Süßem gilt, oder man zu einer Mahlzeit, die genügend Sattmacher, wie beispielsweise Eiweiße, enthält, greifen würde. Man sollte immer kontrollieren, welche Nährstoffe man dem Körper mit dem Essen zuführt und ob er diese wirklich benötigt.
Um den Körper zu sensibilisieren und so besser feststellen zu können, ob man wirklich Hunger hat oder es sich lediglich um Gelüste handelt, ist eine ausgewogene Ernährung auf Basis von Rohprodukten und unverarbeiteten Lebensmitteln eine gute Grundlage.
Außerdem ist es noch wichtig, Durst- und Hungergefühl voneinander unterscheiden zu können. Gerade morgens knurrt der Magen nicht unbedingt, weil er Nahrung braucht, sondern Flüssigkeit. Denn im Prinzip sind die Botenstoffe des Gehirns für Hunger und Durst die gleichen. Deshalb wird geraten, nach dem Aufstehen ein Glas Wasser oder Tee zu trinken und das Frühstück erst dann zu sich zu nehmen, wenn das Hungergefühl sich erneut bemerkbar macht.
Wann sollte man nicht essen?
Um sein Hungergefühl richtig zu schulen, bedarf es viel Selbstdisziplin und Kontrolle. Wir essen oftmals über unser Sättigungsgefühl hinaus oder aus Langeweile. Letztere versetzt den Körper in ein Unwohlsein, weshalb man versucht, sich durch das Ausschütten der Glückshormone ein angenehmeres Wohlbefinden zu verschaffen.
Sobald der eigentliche Energiebedarf des Körpers gedeckt ist und wir trotzdem Nahrung zu uns nehmen, führt das dazu, dass die adipösen Fettzellen im Körper befüllt werden. Übergewicht2) kann eine Folge des Überessens sein.
Da der Magen sich bereits ausgedehnt hat, wird es umso schwieriger, die unerwünschten Kilos wieder loszuwerden. Um ein Sättigungsgefühl zu erreichen, muss stetig mehr Nahrung zu sich genommen werden.
Appetit gestillt – doch wann kommt das Sättigungsgefühl
Viele konzentrieren sich kaum noch auf ihr Essen. Sie essen während sie arbeiten oder Fernsehen schauen. Oft essen sie sehr schnell, da sie glauben, keine Zeit zu haben. Sie kauen kaum noch, sondern schlingen.
Sättigung benötigt jedoch nicht nur Menge, sondern auch Zeit. Essen wir schnell, können wir mehr Nahrung und damit auch Kalorien aufnehmen, bevor das Sättigungsgefühl einsetzt.
Einfluss der Psyche auf das Essverhalten
Es ist biologisch nachweisbar, dass Essen glücklich macht. Der Effekt, den die Psyche hierbei auf das Essverhalten hat, ist bereits ansatzweise klar geworden. Geht es uns nicht gut, versuchen wir auf schnellstem Wege an die Glückshormone heranzukommen und erreichen dies vor allem durch hochkalorisches Essen.
Man erkennt einen deutlichen Unterschied zu Tagen, an denen es uns besser geht. Da der Körper mit Hormonen gedeckt ist, verlangt er nur nach dem Minimum an Nahrung, die er für seine Energie benötigt.
Zudem kommen Faktoren wie beispielsweise Stress, Schlaf- oder Zeitmangel. Wenn der Körper sich nicht richtig entspannen kann, leidet der Stoffwechsel sehr darunter. Aufgrund eines zeitlich getakteten Arbeitsalltags fällt die Wahl bei dem Mittagessen außerdem eher auf die Fertigkost, um somit Zeit zu sparen.
Setzt man sich nicht ausführlich mit dem Thema Essen auseinander, können sich unterbewusst ungesunde Essgewohnheiten einschleichen, die schwerwiegende Folgen auf den Körper haben. Beispielsweise können Essrhythmen und ‑muster aus der Kindheit weitgehende Einflüsse auf die späteren Lebensjahre haben. Man darf nicht vergessen, diese an neue Lebensumstände und Tagesabläufe anzupassen und regelmäßig zu reflektieren.
Tipps gegen Heißhungerattacken
Wenn man es schafft, nur dann zu essen, wenn der Körper wirklich Hunger hat, ist das schon die halbe Miete. Dabei ist es wichtig, unterscheiden zu können, ob es tatsächlich nur Heißhungerattacken sind, oder ob der Magen nun wirklich Nachschub braucht. Man kann ein paar Tricks anwenden, um dies festzustellen, denn es geht in den meisten Fällen lediglich darum, dem Körper eine Kleinigkeit zu geben, die ihn zufrieden stellt:
- Nüsse: Andauerndes und langsames Kauen schickt den Signalstoff ins Kleingehirn, das dann ein Sättigungsgefühl hervorruft.
- Gemüse: Ein kleines, kalorienarmes Stück Gemüse dient nicht nur dem Geschmack, sondern versorgt den Körper auch mit gesunden Nährstoffen.
- Tiefgefrorenes Obst: Das Lutschen von tiefgefrorenem Obst gibt dem Gehirn auf längere Dauer ein Signal, dass der Magen etwas zu sich nimmt, dies aber keine unnötigen Kalorien beinhaltet.
Es geht allerdings nicht nur um den Akt des Kauens, sondern dass tatsächlich etwas im Magen landet. Bei einem Kaugummi lässt sich das Hungergefühl nämlich nicht einstellen, denn die Verdauungssäfte, die der Magen als Vorbereitung auf die erwartete Nahrung produziert, rufen noch mehr Hunger hervor.
Sollte nach einiger Zeit immer noch ein Hungergefühl auftreten und die letzte Mahlzeit schon einige Stunden her sein, kann man sich sicher sein, dass der Körper dieses Gefühl nicht aufgrund von Appetit hervorruft, sondern genährt werden möchte.