Antibiotikaresistenzen – Gefährliche Keime besiegen

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    Von mul­ti­re­sis­ten­ten Kran­ken­haus­kei­men und Infek­tio­nen, die sich kaum noch behan­deln las­sen, haben wir alle schon ein­mal gehört. Wie es soweit kom­men konn­te und was das für uns bedeu­tet, soll nach­fol­gend betrach­tet werden.


    Antibiotikaresistenzen – Gefährliche Keime besiegen

    Was sind Antibiotika?

    Anti­bio­ti­ka gel­ten seit ihrer Ent­de­ckung als medi­zi­ni­sche Wun­der­waf­fe und sorg­ten tat­säch­lich für eine Revo­lu­ti­on hin zur moder­nen Medi­zin. Wäh­rend bak­te­ri­el­le Infek­ti­ons­krank­hei­ten wie Lun­gen­ent­zün­dun­gen oder Wund­in­fek­tio­nen in der prä­an­ti­bio­ti­schen Ära die welt­weit häu­figs­te Todes­ur­sa­che dar­stell­ten, sind sie heu­te meist gut zu bekämpfen.

    Als Anti­bio­ti­kum, über­setzt etwa „Mit­tel gegen das Leben“, wer­den bak­te­ri­en­hem­men­de oder -töten­de Mit­tel bezeich­net. Es han­delt sich also um Medi­ka­men­te gegen Bak­te­ri­en. Gegen ande­re Krank­heits­er­re­ger sind sie hin­ge­gen nicht wirksam.

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    Wie entstehen Antibiotikaresistenzen?

    Resis­ten­zen machen der eins­ti­gen medi­zi­ni­schen Wun­der­waf­fe zu schaf­fen. Bak­te­ri­en wer­den zuneh­mend unemp­find­lich gegen­über gän­gi­gen anti­bio­ti­schen Wirk­stof­fen. Die­se sog. Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen sind nicht nur ärger­lich, son­dern mit­un­ter lebens­be­droh­lich. In die­sem Zusam­men­hang fällt immer häu­fi­ger der Begriff der mul­ti­re­sis­ten­ten Kei­me. Bei die­sen Kei­men han­delt es sich um Bak­te­ri­en, die mit kei­nem bekann­ten Anti­bio­ti­kum zu besie­gen sind. Anti­bio­tik­a­un­emp­find­li­che Kei­me stel­len Medi­zi­ner vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen und machen sie ratlos.

    Bakterien passen sich an

    Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen ent­ste­hen durch eine Anpas­sung der Bak­te­ri­en an bestimm­te Umwelt­be­din­gun­gen. Bei Ent­ste­hung die­ser Resis­ten­zen han­delt es sich letzt­end­lich also um einen evo­lu­tio­nä­ren Pro­zess. Den Bak­te­ri­en kommt hier­bei zugu­te, dass ihre Gene­ra­ti­ons­zeit extrem kurz ist: Wäh­rend Men­schen meh­re­re Jahr­zehn­te benö­ti­gen, um sich fort­zu­pflan­zen, geschieht dies bei Bak­te­ri­en unter güns­ti­gen Bedin­gun­gen in weni­ger als einer Stun­de. So kön­nen in ver­gleichs­wei­se kur­zer Zeit vor­teil­haf­te Muta­tio­nen auf­tre­ten, die sich anschlie­ßend ganz im Sin­ne der Evo­lu­ti­ons­theo­rie durchsetzen.

    Resistenzen können weitergegeben werden

    Dar­über hin­aus pro­fi­tie­ren Bak­te­ri­en von einer wei­te­ren, ihnen eige­nen Beson­der­heit: Sie sind zum hori­zon­ta­len Gen­trans­fer in der Lage. Das bedeu­tet, dass sich gene­ti­sche Infor­ma­tio­nen zwi­schen ver­schie­de­nen Bak­te­ri­en aus­tau­schen las­sen. Die­ser Trans­fer lässt sich auch zwi­schen recht unter­schied­li­chen Bak­te­ri­en­ar­ten beob­ach­ten. Tritt bei einem Bak­te­ri­um eine Resis­tenz gegen­über einem Anti­bio­ti­kum auf, stellt dies also einer­seits einen Evo­lu­ti­ons­vor­teil dar – die­se Resis­tenz wird sich also mit hoher Wahr­schein­lich­keit durch­set­zen und an vie­le Nach­kom­men wei­ter­ge­ge­ben wer­den. Ande­rer­seits wer­den die Bak­te­ri­en, die über die Resis­tenz ver­fü­gen, die zugrun­de­lie­gen­de gene­ti­sche Infor­ma­ti­on im Rah­men des hori­zon­ta­len Gen­trans­fers an mög­lichst vie­le ande­re Bak­te­ri­en wei­ter­ge­ben und die­se dadurch eben­falls resis­tent machen.

    Keine resistenten Bakterien “züchten”

    Eine leicht­fer­ti­ge Anwen­dung anti­bio­ti­scher Stof­fe, der unter­do­sier­te Ein­satz die­ser Stof­fe sowie die Ver­wen­dung von anti­bio­tisch wirk­sa­men Medi­ka­men­ten in der Tier­mast beför­dern Resis­ten­zen. Durch die­se Prak­ti­ken wer­den resis­ten­te Bak­te­ri­en sozu­sa­gen gezüch­tet, da sie die Mög­lich­keit erhal­ten, sich an die Medi­ka­men­te anzu­pas­sen. Anti­bio­ti­ka soll­ten also nur ein­ge­setzt wer­den, wenn sie wirk­lich benö­tigt wer­den. Der Ein­satz soll­te dar­über hin­aus in aus­rei­chend hoher Dosis und in aus­rei­chen­der Län­ge erfol­gen. Andern­falls kön­nen ein­zel­ne Bak­te­ri­en die The­ra­pie – oder den ander­wei­ti­gen Kon­takt mit dem Stoff – über­le­ben und sich in der Fol­ge an die­sen anpassen.

    In der Pra­xis wer­den anti­bio­ti­sche Mit­tel nach wie vor deut­lich zu häu­fig ver­schrie­ben. Ärz­te sehen sich mit­un­ter Pati­en­ten gegen­über, die ein sol­ches Medi­ka­ment for­dern, obwohl es in ihrem Fall nicht wirk­sam oder nicht not­wen­dig ist. Wird das Medi­ka­ment trotz der feh­len­den Not­wen­dig­keit ver­schrie­ben, wird die Resis­tenz­bil­dung ent­spre­chend gefördert.

    Kennzahlen in Deutschland: Mittel und Resistenzen

    Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen neh­men, vor allem auf­grund des Ein­sat­zes in der Tier­mast und des zuneh­mend unkri­ti­schen Gebrauchs, immer wei­ter zu. Gleich­zei­tig nahm die Ent­wick­lung neu­er Wirk­stof­fe ab. Erst in jüngs­ter Ver­gan­gen­heit wur­de wie­der stär­ker an anti­bio­tisch wirk­sa­men Mit­teln geforscht.

    Dies ist vor allem dar­auf zurück­zu­füh­ren, dass Ent­wick­lung und Ver­kauf eines Anti­bio­ti­kums für ein Phar­ma­un­ter­neh­men wenig lukra­tiv sind. Ein Anti­bio­ti­kum wird für gewöhn­lich nur über einen kur­zen Zeit­raum ein­ge­nom­men und ist gegen­über Mit­teln gegen chro­ni­sche Erkran­kun­gen sehr güns­tig. Finan­zi­ell ist eine Inves­ti­ti­on in die Erfor­schung eines sol­chen Mit­tels also wenig lohnenswert.

    Das ers­te moder­ne Anti­bio­ti­kum, das Peni­cil­lin, wur­de im Jahr 1943 für die brei­te Öffent­lich­keit ver­füg­bar. In den Jah­ren 1951 bis 1960 wur­den ins­ge­samt sechs wei­te­re Anti­bio­ti­ka ver­füg­bar. Die Ent­wick­lung und Markt­ein­füh­rung die­ser Wirk­stof­fe erreich­te ihren Höhe­punkt im Zeit­raum zwi­schen 1991 und 2000. In die­sem Jahr­zehnt wur­den in Deutsch­land ins­ge­samt 22 neue Anti­bio­ti­ka zuge­las­sen. Anschlie­ßend nahm die Ent­wick­lung rapi­de ab: Im fol­gen­den Jahr­zehnt wur­den nur acht neue Mit­tel gegen bak­te­ri­el­le Infek­tio­nen in den Markt ein­ge­führt. Erst in jüngs­ter Ver­gan­gen­heit konn­te die­se Ent­wick­lung umge­kehrt werden.

    Die Fol­gen der zuneh­men­den Resis­ten­zen sind indes deut­lich spür­bar. Vor allem in Kran­ken­häu­sern besteht die Gefahr, sich mit mul­ti­re­sis­ten­ten Kei­men zu infi­zie­ren und ist höher als jemals zuvor. Mul­ti­re­sis­ten­te Kei­me töten jähr­lich etwa 6.000 Men­schen in Deutsch­land. Welt­weit ster­ben jähr­lich etwa 700.000 Men­schen an den Fol­gen einer Infek­ti­on mit resis­ten­ten Keimen.

    Forschung und Entwicklung: Neue Mittel gegen multiresistente Keime

    Die Wis­sen­schaft hat sich nun der Auf­ga­be ange­nom­men, neue Mit­tel gegen resis­ten­te und mul­ti­re­sis­ten­te Kei­me zu ent­wi­ckeln. Nur auf die­sem Wege kön­nen bak­te­ri­el­le Infek­tio­nen auch künf­tig beherrscht wer­den. Wird die For­schung auf­ge­ge­ben, droht ein medi­zi­ni­scher Rück­fall in die vor­an­ti­bio­ti­sche Ära. In die­sem Fal­le wür­den bak­te­ri­el­le Infek­ti­ons­krank­hei­ten wie­der zu einer lebens­be­droh­li­chen, unbe­herrsch­ba­ren Gefahr werden.

    Neue anti­bio­tisch wirk­sa­me Mit­tel stam­men in den meis­ten Fäl­len aus der Natur. Die Auf­ga­be der For­scher besteht letzt­end­lich dar­in, die­se Mit­tel zu ent­de­cken und künst­lich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Auch das ers­te moder­ne Medi­ka­ment gegen bak­te­ri­el­le Infek­tio­nen ist ein natür­li­ches Mit­tel: Peni­cil­lin wird in der Natur von bestimm­ten Schim­mel­pil­zen als Mit­tel gegen bak­te­ri­el­le Angrei­fer hergestellt.

    Der über­wie­gen­de Teil der in den letz­ten Jah­ren ein­ge­führ­ten Mit­tel gegen bak­te­ri­el­le Infek­tio­nen wur­de aus­drück­lich für den Ein­satz gegen Pro­blem­kei­me ent­wi­ckelt. Es han­delt sich bei die­sen Mit­teln also meist nicht um Breit­band­an­ti­bio­ti­ka, die gegen eine Viel­zahl von Bak­te­ri­en hel­fen, son­dern um sehr spe­zi­el­le Mit­tel, die nur in Aus­nah­me­fäl­len zum Ein­satz kom­men sol­len. Auf die­sem Wege soll letzt­end­lich auch die The­ra­pie von Infek­tio­nen mit bis­her resis­ten­ten Kei­men mög­lich werden.

    Internationale Strategien gegen Antibiotikaresistenzen

    Das Pro­blem der Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen stellt sich welt­weit. Bedingt durch die Glo­ba­li­sie­rung und das nicht mehr auf einen bestimm­ten Bereich begrenz­te Leben der Men­schen ver­brei­ten sich in der heu­ti­gen Zeit resis­ten­te Kei­me welt­weit. Aus die­sem Grund wird eine inter­na­tio­na­le Lösung des Pro­blems angestrebt.

    Im Kampf gegen Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen ver­ab­schie­de­te die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) im Jahr 2015 einen Akti­ons­plan. Neben der För­de­rung des sach­ge­rech­ten Ein­sat­zes der Mit­tel, der nach wie vor kaum gege­ben ist, wur­den unter ande­rem glo­ba­le Ent­wick­lungs­part­ner­schaf­ten beschlos­sen. Dar­über hin­aus ent­schie­den auch eini­ge Unter­neh­men der Phar­ma- und Bio­tech­no­lo­gie-Indus­trie, ver­stärkt an Mit­teln gegen resis­ten­te Kei­me for­schen zu wol­len. Die WHO ver­öf­fent­lich­te über­dies eine Lis­te mit Kei­men, für deren Behand­lung beson­ders drin­gend neue Mit­tel benö­tigt werden.

    Ins­ge­samt lässt sich fest­stel­len, dass die Aktua­li­tät und Dring­lich­keit des Pro­blems sei­tens der Poli­tik und der Indus­trie erkannt wor­den ist. Ers­te wich­ti­ge Maß­nah­men im Kampf gegen die Resis­ten­zen wur­den ein­ge­lei­tet. Nun gilt es, die­se Ent­wick­lung fort­zu­füh­ren, um mul­ti­re­sis­ten­te Kei­me letzt­end­lich besie­gen und die Hand­lungs­fä­hig­keit der moder­nen Medi­zin erhal­ten zu können.

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