Die Sterbehilfe, auch Euthanasie genannt, wird in vielen Gesellschaften kontrovers diskutiert. Vorweg sei erwähnt, dass sich bei einer Betrachtung der Gesetzeslagen unterschiedlicher Länder schnell zeigt, dass liberale Gesellschaften der Sterbehilfe offener gegenüberstehen, als beispielsweise stark gläubige Gesellschaften. Diesbezüglich haben Belgien und die Niederlande besonders lockere Gesetzgebungen, während Polen und Italien mit empfindlichen Strafen drohen.
Doch Sterbehilfe ist nicht gleich Sterbehilfe. Sowohl Ärzte, als auch humanistische Vereinigungen sowie der Gesetzgeber unterscheiden zwischen verschiedenen Arten der Euthanasie, die Menschen für sich in Erwägung ziehen können, um das Leben bewusst zu beenden.
Inhaltsverzeichnis
Arten der Euthanasie
Die aktive Sterbehilfe meint das gezielte Verwenden von Medikamenten oder anderen Substanzen zur Herbeiführung des Todes. In der Praxis werden hierfür meist Medikamente mit sedierender Wirkung genutzt, die dem Sterbewilligen Schmerzen nehmen, ihn einschlafen lassen und letztendlich zum Tod führen. Somit ist in diesem Fall eine andere Person für den Tod des Patienten verantwortlich.
Die passive Sterbehilfe ist im Grunde der Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen oder auch das Verabreichen von Medikamenten, die aufgrund ihrer Nebenwirkungen den Tod eines Patienten schneller eintreten lassen können. So ist beispielsweise das Abschalten von Beatmungsgeräten eine Form der passiven Sterbehilfe. Das Verabreichen von Schmerzmitteln, bei denen erwartet werden kann, dass sie einen stark geschwächten Menschen töten können, zählt ebenfalls dazu. Die passive Sterbehilfe ist die am häufigsten vorkommende Form der Euthanasie.
Als Beihilfe zum Suizid gilt hingegen, wenn Ärzte oder andere Personen einem Patienten den Freitod ermöglichen. Dies liegt beispielsweise vor, wenn ein Arzt den Patienten explizit darüber informiert, dass die Medikamente in der Schublade bei erhöhter Dosis tödlich sind oder dieser ihm zeigt, wie er seine lebenserhaltenden Maschinen selbst abstellen kann.
Für die Betrachtung der rechtlichen Aspekte ist eine saubere Trennung zwischen den Arten der Sterbehilfe zwingend notwendig.
Rechtslage in Deutschland
In Deutschland ist die Beihilfe zum Suizid nicht strafbar, da Selbsttötung ebenfalls keine Straftat darstellt. Es kann jedoch aufgrund unterlassener Hilfeleistung geklagt werden – die Selbsttötung eines Menschen müsste nämlich unterbunden werden, sofern dies möglich ist. Auch muss nach einem offensichtlichen Selbsttötungsversuch sofort ein Notarzt verständigt werden. Die Berufsordnung der Ärzte untersagt die Beihilfe zum Suizid, allerdings haben nicht alle Ärztekammern (und damit nicht alle Ärzte) diesen Passus übernommen.
Die passive Sterbehilfe ist nicht strafbar in Deutschland. Entscheidend ist, dass eine Willenserklärung des Patienten vorliegt, im Falle einer medizinisch aussichtslosen Lage auf lebenserhaltende Maßnahmen zu verzichten. Für die Willenserklärung eignen sich vor allem Videos oder handgeschriebene Erklärungen. Zum Zeitpunkt der Willenserklärung muss der Patient zudem voll zurechnungsfähig sein.
Liegt keine erkennbare Willenserklärung vor, so handelt es sich nicht mehr um eine passive Sterbehilfe, sondern um Totschlag oder Mord.
Die aktive Sterbehilfe ist untersagt und wird mit Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren geahndet. Auch der Versuch ist strafbar.
Seit Ende 2015 ist die geschäftsmäßige Förderung von Selbsttötungen unter Strafe gestellt. Das heißt, dass Ärzte, die gegen Gebühr bei der Sterbehilfe assistieren, bestraft werden können. Auch können Menschen, die bei der Bereitstellung der benötigten Medikamente helfen, strafrechtlich verfolgt werden.
Seit März 2017 haben deutsche Patienten in extremen Ausnahmefällen das Recht auf den Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Phenobarbital zur Selbsttötung. Allerdings nur unter drei strikten Bedingungen:
- Ein Sachverständiger des BfArM muss ein Gutachten erstellen, welches richterlich geordert wird.
- Es muss sichergestellt sein, dass der Sterbewillige die Entscheidung selbst treffen kann.
- Die medizinische Lage muss aussichtslos sein und es darf keine zumutbare Alternative (Behandlungsabbruch oder ‑änderung) zur Selbsttötung geben.
Rechtslage zur Sterbehilfe in anderen Ländern
Die liberalsten Sterbehilfegesetze haben die Niederlande, Luxemburg und Belgien: Hier ist auch die aktive Sterbehilfe legal, sofern der Patientenwille deutlich ist und die medizinische Prognose keine Aussicht auf Besserung zulässt. In der Schweiz gibt es einen Verein, der Ärzte vermittelt, die sich dazu bereit erklären, tödliche Medikamente zu verschreiben. Diese Form der Beihilfe zum Suizid wird toleriert, ist aber gesetzlich nicht gedeckt. Generell ist die Beihilfe zum Suizid im europäischen Raum neben Deutschland, der Schweiz und den Beneluxstaaten lediglich in Schweden legalisiert.
Die passive Sterbehilfe ist in den meisten europäischen Staaten straffrei und toleriert. Einige Ausnahmen sind Polen (hier sind sämtliche Formen der Sterbehilfe verboten) und diverse andere Länder, in denen die Gesetzeslage unklar ist. Wer in die Sterbehilfe involviert ist, steht in Italien, Portugal und Tschechien auf rechtlich unsicherem Boden.
Ethische Aspekte der Sterbehilfe
Eine Argumentation für oder gegen Euthanasie gestaltet sich seit Jahren sehr eintönig. Dabei bezieht sich die Debatte zuweilen darauf, ob Sterbehilfe grundsätzlich gestattet sein sollte (passiv wie aktiv), oder ob die bestehende Gesetzeslage “liberalisiert” werden sollte, um auch die aktive Sterbehilfe zu ermöglichen. Das aussagekräftigste Argument für die Sterbehilfe ist das Persönlichkeitsrecht des Menschen: Es wird argumentiert, dass ein würdevolles Leben unter bestimmten medizinischen Umständen nicht möglich ist. Auch wird häufig auf Schmerzen und Hilflosigkeit verwiesen, die ein menschenwürdiges Leben unmöglich machen. Zudem habe jeder Mensch das Recht darauf, selbst über sein Ableben zu entscheiden, wenn er dies wünsche. Das Beenden des eigenen Leids sei menschenwürdig, das künstliche Verlängern jedoch nicht.
Gegenargumente liefert unter anderem der Hippokratischer Eid auf medizinischer Seite, der das Schädigen von Patienten – also auch das Töten — untersagt. Zudem sei, so die Gegner der Sterbehilfe, die Palliativmedizin so fortgeschritten, dass Menschen in Würde und schmerzfrei sterben könnten. Dass es medizinische Fälle gibt, die dies widerlegen, liegt auf der Hand. Das religiöse Argument bezieht sich darauf, dass es dem Menschen untersagt sei, über Tod und Leben zu entscheiden. Entsprechend steht ein fundamentalistischer Glaube der Sterbehilfe in jeder Form entgegen.
Abgewogen wird auch der Wunsch der Todkranken oder Leidenden selbst, ihren Angehörigen nicht zur Last zu fallen. Es gibt Menschen, die sich eine Erlösung von Last und Leid für sich und ihre Angehörigen mit dem Tod erhoffen. Dieses persönliche Interesse, das mit der Menschenwürde und dem Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit verteidigt wird, steht der Auffassung, Mediziner und der Staat müssten sämtliches Leben schützen, im Wege. Nicht zuletzt wird betont, dass eine eindeutige Gesetzesregelung Medizinern ermögliche, sich rechtlich auf sicherem Boden zu befinden. Es sei wichtig, auch die Mediziner davor zu schützen, rechtswidrig — wenngleich auch auf Verlangen — zu handeln.
Sterbehilfe bei Kindern
Das Thema Sterbehilfe bei Kindern ist kontrovers diskutiert. Fraglich ist, inwiefern Kinder den Wunsch zu sterben äußern und einschätzen können. Die Niederlande und Belgien sind die einzigen Staaten, in denen dies möglich ist. Dabei müssen die Eltern zustimmen und ein Gutachten muss beweisen, dass das Leiden als unerträglich eingeschätzt wird und die Kindern den Umfang ihres Verlangens verstehen.
Die Argumente dagegen sind dieselben, die auch sonst gegen die Sterbehilfe angeführt werden. Auch wird hinzugefügt, dass ein Kind nicht entscheiden könne, ob es sein Leben beenden (lassen) möchte. Dem gegenübersteht die Feststellung, dass Kinder, die unheilbar krank sind und Leid erfahren, geistig häufig schon sehr weit entwickelt sind.
Als Gegenargument wird weiterhin angeführt, dass es besser sei, die Betreuung für sterbenskranke Kinder und Angehörige zu verbessern, als die Euthanasie zu vereinfachen. In Deutschland wird die aktive Sterbehilfe bei Kindern (beziehungsweise die Beihilfe zum Suizid) derzeit nicht in Aussicht gestellt.