„Positives Denken“ ist eine Art Zauberformel zum Glück. Zumindest könnte dieser Eindruck entstehen, wenn die Suchmaschine des Vertrauens gefragt oder die Ratgeber-Abteilung im Buchladen geplündert wird. Dabei stellen sich natürlich ein paar Fragen. Die Ersten sind rein praktischer Natur:
- Wie kann ich positiv denken?
- Kann ich das lernen?
- Warum ist es so wichtig?
Und dann, ein wenig vertiefter, sollte man sich fragen, ob es einen Zusammenhang zwischen Lebensfreude, Zufriedenheit, Motivation und dem positiven Denken gibt. Und wenn es ihn gibt, ist es wichtig zu erfahren, warum es ihn gibt. All diese Fragen sollen hier gestellt und beantwortet werden. Vorweg: Das positive Denken ist nicht nur ein Abstraktum, um ein Glaubenskonzept zu beschreiben. Es ist tatsächlich eine Verhaltenstechnik. Und als solche beeinflusst sie den Handelnden – erst mental und dann in seinen Taten.
Inhaltsverzeichnis
Warum überhaupt positiv denken?
Wer im Leben eher daran festhält, dass es an sich eine gute Sache ist, lebt zufriedener, ist aufgeschlossener und findet eher einen inneren Frieden. Zudem hilft positives Denken bei der Konflikt- und Problembewältigung, erhöht also die Resilienz. Nachgewiesenermaßen leben Optimisten und positiv eingestellte Menschen im Durchschnitt etwas länger und behalten auch länger ihre geistige Flexibilität bei.
Andersherum passt es deshalb: Es kann nicht schaden, dem positiven Denken mindestens eine Chance einzuräumen. Wer es schafft, weiß, was er davon hat.
Die Grundidee des positiven Denkens und die Abgrenzung zum Optimismus
Positives Denken wird oftmals als unüberlegter, naiver Unfug abgetan, da es häufig mit einer Einstellung in Zusammenhang gebracht wird, die im besten Falle noch als unvorsichtiger Optimismus zu benennen ist. Positives Denken ist aber ausdrücklich keine Sicht auf die Welt, die nichts Schlechtes mehr kennt und immer nur das Gute in allem sieht. Positives Denken ist auch nicht dadurch geprägt, dass negative Aspekte kleingeredet werden oder gar ignoriert.
Positives Denken ist vielmehr eine Art, Dinge zu beurteilen. Und der erste Schritt ist dann zuerst die Akzeptanz des Seienden. Das, was real ist (oder sich als real darstellt), ist erst einmal geschehen. Insofern bringen Verneinung und Verdrängung wenig.
Zuerst steht also die Akzeptanz des Gegebenen. Und dann beginnt der Prozess des eigentlichen positiven Denkens. Der Mensch hat nun bei allem die Wahl, wie er es sieht und was er daraus mitnehmen möchte. Er kann sich auf die negativen Dinge fokussieren oder auf die positiven. Er kann erst sehen, welche negativen Konsequenzen etwas hat. Oder er kann sich dazu entscheiden, was er aus einer Situation gewinnen kann.
Positives Denken bedeutet, dass man sich Fragen stellt, die etwa so lauten können:
- Was ist das Gute daran?
- Was gewinne ich aus der Situation?
- Was kann ich daraus lernen?
- Habe ich das verursacht und ist es mein Verdienst?
- Bringt es mich weiter?
Natürlich gibt es Situationen, die scheinbar nichts Gutes an sich haben. Ein gebrochenes Bein ist keine gute Sache und wird auch nie eine sein. Aber die Wahrheit ist, dass es meistens verheilt, dass es einen Grund für das gebrochene Bein gibt (inklusive der Möglichkeit des Selbstverschuldens) und dass fast alle Menschen die Erfahrung eines Bruchs irgendwann einmal machen. Es gehört – so könnte man meinen – zum Leben. Das klingt alles noch nicht sehr tröstlich, allerdings geht es im Folgenden um die Bewertung der Situation und da gibt es nur eine zentrale Frage: Kann mich das hier so weit aus der Bahn werfen, dass alles andere an Wert verliert?
Und der positiv denkende Mensch wird sagen: „Nein!“
Es geht nicht darum, sich etwas schön zu reden, oder immer vom Besten auszugehen (siehe Optimismus). Es geht vielmehr darum zu sehen, dass das Meiste Chancen bietet und nicht so gravierend sein kann oder darf, dass es sich nachhaltig negativ auf die anderen Lebensbereiche auswirkt.
Positives Denken als Entscheidung begreifen
Positives Denken ist eine Entscheidung und als solche ein bewusster Prozess. Es handelt sich nicht um eine reine, einfach gegebene Grundeinstellung. Tatsächlich hat zwar die Genetik durchaus etwas mit der grundlegenderen Bereitschaft, positiv zu denken zu tun. Denn es gibt optimistische und pessimistische Persönlichkeiten, wobei die Ersteren länger leben und auch noch zufriedener sind, wie mehrere Studien gezeigt haben. Jedoch geht es hierbei um die grundsätzliche Annahme, es sei mehr Gutes oder Schlechtes vorhanden. Wer mehr Gutes sieht, kann auch in der Bewertung der Dinge leichter positive Schlüsse ziehen. Das ist in der Tat etwas, was von optimistischen Persönlichkeiten gelernt werden kann.
Jedoch braucht es für die Bereitschaft, das positive Denken gezielt zu kultivieren, überhaupt keine Genetik. Es geht einzig und allein um die innere Einstellung. Ein Mensch kann selbst entscheiden, ob er das Gegebene als verwertbar oder nutzlos betrachtet. Doch was ist dann – so lautet eine völlig berechtigte Frage – mit negativen Denkmustern? Was ist, wenn jemand nicht das Gefühl hat, dass er aus seinem negativen Denken (vielleicht gepaart mit Pessimismus) herauskommt?
Negative Denkmuster durchbrechen
Es gibt Tage, an denen nichts gelingen mag. Negative Gedanken tauchen auf und lassen sich kaum abschütteln. Sie sind auch in Ordnung, denn das gebrochene Bein bleibt ja erst einmal gebrochen und damit hat sich die Teilnahme am Triathlon wahrscheinlich erledigt. Hinzu kommt, dass der Weg zur Toilette beschwerlicher wird, die Schlafposition in Zukunft unbequem sein wird und dass der eigene Beruf leider gar nichts mit dem Bein zu tun hat, weshalb nicht einmal auf bezahlte Krankheitstage gesetzt werden kann.
An dieser Stelle soll deshalb gar nicht behauptet werden, dass negative Gedanken unangebracht wären. Sie sind eine Bestandsaufnahme des Seienden. Das positive Denken setzt dann aber hier an und verhindert aktiv, dass diese negativen Gedanken das gesamte Erlebnis prägen.
Hier kehrt der Mensch bewusst zu den oben besprochenen Fragen zurück und stellt vielleicht fest, dass ein gebrochenes Bein zurück zur künstlerischen Tätigkeit (jahrelang vernachlässigt) führt. Oder aber es werden andere Dinge endlich erledigt, die vernachlässigt waren. Auf der körperlichen Ebene entdeckt sich ein Mensch im Falle einer Beeinträchtigung ebenfalls neu.
Ein negatives Denkmuster kann immer dann gezielt durchbrochen werden, wenn festgestellt wird, dass es überhaupt da ist. Wirkt eine Situation nur negativ und ist jemand nur mit Beschwerden (sowohl mit sich selbst im Geiste vorgetragenen als auch mit verbalen) beschäftigt, so liegt der Gedanke nahe, dass negatives Denken vorherrschend ist. Hier kann aktiv eingegriffen werden – allerdings nur seitens des Betroffenen.
Wenn das positive Denken nicht gelingt und wie Visualisierung und Dankbarkeit wirken können
Es kann vorkommen, dass das positive Denken nicht funktioniert. Wenngleich man sich auf positive Aspekte, auf Chancen konzentrieren möchte, so bricht immer wieder das Schlechte in die neuen Ideen ein und macht sie kaputt.
In solchen Situationen kann es auch angemessen sein, die Dinge ruhen zu lassen (ohne sie zu verdrängen) und eine Pause einzulegen. Allein ein zeitlicher oder räumlicher Abstand kann die Bewertung von Dingen stark verändern. Manchmal genügt auch das Abwarten des nächsten Tages.
Weiterhin gibt es eine Reihe konkreter Techniken, die dabei helfen, das positive Gedankengut zu kultivieren. Es sind hier namentlich die Visualisierung und die bewusste Akzeptanz zu nennen. Die Visualisierung eines Sachverhalts erfolgt beispielsweise in Schriftform – beim Aufschreiben der Aspekte fallen den meisten Menschen schnell weitere positive Aspekte ein. Zugleich kann begriffen werden, um welche Aspekte es überhaupt geht.
Welche wurden zu kleingeredet und welche sind eigentlich nicht so gravierend? Das Visualisieren hilft dabei, etwas in einen Zusammenhang zu bringen. Die bewusste Akzeptanz ist hier die Bereitschaft, etwas grundsätzlich als gewinnbringend (im Bezug auf das Leben) zu akzeptieren. Das ist schwieriger für die meisten Menschen und wird oftmals mit einem Glauben (an Gott) kombiniert oder aber mit althergebrachten Vorstellungen vom guten Leben. (An dieser Stelle sei auf die Nikomachische Ethik des Aristoteles verwiesen, deren Behandlung hier zu weit führen würde.)
Eng verknüpft mit Akzeptanz ist aber auch die Dankbarkeit. Auch das ist eine Betrachtungsweise, die dem positiven Denken förderlich ist – und dazu kommt, dass sie gerade bei positiven Ereignissen angebracht ist. Die Dankbarkeit (ebenfalls ein bewusster Prozess) verlernen viele Menschen, denen es nie an Grundsätzlichem fehlte, sehr häufig.
Aber was positiv denkende Menschen und auch Optimisten eint, ist die Dankbarkeit für die schönen Dinge. Das bedeutet Dankbarkeit für leckere Speisen, schönes Wetter, die eigenen Tulpen, den Partner und einfach nur für eine nette Geste oder ein Lächeln. Diese Dinge sind nicht selbstverständlich, sondern sie resultieren aus der eigenen Mühe sowie der Mühe und auch Menschlichkeit anderer Menschen. Das Wenigste fällt einem durch pures Glück zu, wobei auch dafür Dankbarkeit angebracht ist.
Für das positive Denken sind somit folgende Techniken einsetzbar:
- Akzeptanz
- Bewusste Betrachtung und die Frage, was aus etwas gewonnen werden kann.
- Visualisierung und ähnliche Techniken
- Manchmal ein wenig Abstand
- Dankbarkeit für das Gute
Es ist in der Tat Übungssache, positiv zu denken. Jedoch können Menschen sich selber dazu bringen, eine positive Grundeinstellung als Denkmuster bei sich zu etablieren. Dies ist im Bezug auf die eigene Lebensfreude eine große Chance.