Die Entwicklung des 3D-Druckverfahrens reicht in die 80er Jahre zurück, dennoch ist die Technik erst seit 2010 für Privatkäufer erhältlich. Neben neuen Möglichkeiten für Privatpersonen hat die 3D-Technologie das Potenzial die Medizin zukünftig zu revolutionieren – doch wie genau kann der 3D-Druck die Funktionen des menschlichen Körpers unterstützen und was ist überhaupt Bioprinting?
Inhaltsverzeichnis
Was ist Bioprinting?
Unter Bioprinting wird nichts anderes verstanden, als eine Sonderform des 3D-Drucks. Hierfür wird jedoch kein festes Material verwendet, sondern speziell gezüchtete Zellen. Mit einem sogenannten Bioprinter ist es möglich, künstliche Gewebe oder Strukturen zu erzeugen und – in naher Zukunft – sogar funktionsfähige Organe. In der Wissenschaft wird das Verfahren des Bioprintings oftmals als nächste Technikrevolution in der Geschichte der Medizin bezeichnet, mit der es ermöglicht werden soll, lebenswichtige und maßgeschneiderte Organe aus patienteneigenen Zellen herzustellen und somit das Abstoßungsrisiko bei Transplantationen zu reduzieren.
Mit “Biotinte” zum gedruckten Organ
Der Druck von Essen, Häusern oder menschlichen Organen hört sich nach einer fiktiven Film-Szene an, ist jedoch teilweise schon zur Realität geworden: In den Niederlanden entsteht derzeit ein vollständig gedrucktes Haus – das sogenannte Canal House. Ein Unternehmen aus Bremerhaven, Biozoon, versucht sich derzeit an gedruckten Nahrungsmitteln. Werden wir in Zukunft in gedruckten Häusern wohnen und 3D-gedrucktes Essen zu uns nehmen? Aktuell vielleicht noch nicht, jedoch schreitet die Technologie mitsamt ihren Möglichkeiten drastisch voran.
Auch in der Medizin kann dieses Potenzial genutzt werden: Von gedruckten Herzklappen, Kiefergelenken, Hautflächen, Knorpel- und Knochenelementen bis hin zu vollständigen Organen soll in Zukunft profitiert werden. Heutzutage wird die 3D-Technologie bereits für Prothesen genutzt, die im Vergleich zu herkömmlicher Produktion eine wesentlich kostengünstigere und schneller produzierbare Variante darstellen. Im Jahr 2013 mussten Patienten im Durchschnitt etwa 20 Wochen auf eine Augenprothese warten, während der 3D-Drucker fünf Augenprothesen pro Stunde erzeugen kann. Diese werden dann für etwa 150 € vertrieben, im Gegensatz zu konventionell hergestellten Prothesen, die mit circa. 3.500 € zu Buche schlagen. Auch in der Otoplastik – eine maßgefertigte Verbindung zwischen Hörhilfe und Ohr – werden verschiedene Modelle bereits zu 90 Prozent per 3D-Druck hergestellt.
Der Druck lebender Gewebe setzt die Verfügbarkeit einer sogenannten “Biotinte” voraus, die hauptsächlich aus patienteneigenen Zellen besteht. Meist werden diese bei Biopsien entnommen, oder aus Stammzellen und natürlichen oder synthetischen Polymeren gewonnen. Das ausgewählte Polymer muss sehr spezifische Merkmale, wie “Zellfreundlichkeit”, Druckbarkeit und Stabilität aufweisen, um in den Prozess integriert werden zu können. Auch sollte sich das Polymer stufenweise zersetzen, während es neue Gewebe bildet und Zellteilung und ‑wanderung fördert.
Die Herstellung ganzer Organe hat derzeit noch mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Lebendiges Gewebe benötigt nämlich andere Bedingungen, als Stoffe wie Kunststoff oder Metall. Neben optimalen Umgebungsbedingungen müssen die Zellen zudem mit vielen Nährstoffen versorgt werden. Sollten diese Hindernisse in Zukunft beseitigt werden können, so müssten herz- oder nierenkranke Menschen nicht mehr jahrelang auf ein Spenderorgan warten, geschweige denn überhaupt hoffen, dass ein passendes Spenderorgan gefunden wird.
Der Organdruck – Wie funktioniert Bioprinting?
Obwohl es im Prinzip bereits möglich ist, Organe im Bioprinter anzufertigen, mangelt es bisher an ihrer Funktionalität. Da ein menschliches Organ wesentlich komplexer ist, als ein starres Produkt, müssen sowohl äußeres Gerüst, als auch innere Struktur des Produkts übereinstimmen. Der Biodrucker muss demnach die richtigen Zellen an die richtigen Orte des Organs transportieren, um ein Zusammenspiel aller involvierten Strukturen zu gewährleisten. Besonders wichtig sind in diesem Fall die Blutgefäße, denn ohne eine adäquate Durchblutung ist ein Gewebe nicht lebensfähig und unbrauchbar für den menschlichen Organismus.
Es gibt zwei verschiedene Prinzipien des Bioprintings, die zur Herstellung eines künstlichen Gewebes genutzt werden können. Die beiden Prozeduren ähneln der Technik, die auch in normalen Druckern zum Einsatz kommen. Zu unterscheiden sind:
- Das Laser-Prinzip: Winzige Tropfen eines mit Zellen angelagerten Gels werden mithilfe eines Laserstahls auf eine Unterlage transferiert. Somit bildet sich Tropfen für Tropfen ein neues Gewebe.
- Das Tintenstrahl-Prinzip: Mithilfe zweier Düsen wird abwechselnd Flüssigkeit auf eine Unterlage gespritzt. Die erste Düse versprüht einen schnell verhärtenden und zähflüssigen Kunststoff – das sogenannte Hydrogel, das später die Zellen aufnehmen kann. Aus der zweiten Drüse werden lebende Zellen verteilt – beispielsweise Körperzellen oder Vorläuferzellen. Somit wird das Gewebe stets weiter ausgebaut. Obwohl diese Technik derzeit noch nicht ausgereift ist, werden bereits erste Erfolge verzeichnet: Spanischen Forschern sei es gelungen, mithilfe eines 3D-Druckers menschliche Haut zu produzieren und auch sei es gelungen ein funktionierendes Blutgefäßsystem zu erzeugen.
Die Nachfrage steigt
Derzeit stehen etwa 11.000 Menschen in Deutschland auf der Warteliste für eine Nierentransplantation – Tendenz steigend. Bedingt durch den demografischen Wandel und einer einhergehend steigenden Nachfrage, muss die Medizin adäquate Lösungen finden, das Angebot lebenserhaltender Maßnahmen entsprechend anzupassen. Laut einer Studie der Deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO) ging zudem die Zahl der Organspender im Vergleich zum Vorjahr im ersten Halbjahr 2013 um etwa 18 Prozent zurück. Um so erfreulicher ist es, dass die Transplantationsmedizin große Fortschritte erzielt und Politik, Industrie und Forschung intensiv an neuen Methoden und Verfahren arbeiten, die eine Herstellung künstlicher Gewebe ermöglichen.
Im Hinblick auf die Anforderungen einer immer älter werdenden Gesellschaft liegt viel Hoffnung auf der Methodik des Bioprintings: Eine Verknüpfung von Biotechnologie und Digitalität könnte revolutionäre Erfolge erzielen und die Gesundheit vieler Menschen maßgeblich verbessern.
Um ein einwandfrei funktionierendes Organ aus dem 3D-Drucker herstellen zu können, ist eine umfangreiche und langjährige Entwicklungsarbeit von Nöten. Insbesondere die Forschungs- und Entwicklungsphase setzt immense finanzielle und personelle Ressourcen voraus. Ist die Methodik des Bioprintings jedoch ausgereift, könnte sie nicht nur die medizinische Versorgung revolutionieren, sondern ebenfalls eine starke Reduktion der Gesundheitskosten bewirken und die Gesundheit vieler Menschen noch preiswerter, präziser und schneller gestalten.