Die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung, kurz ADHS, gehört zur Gruppe der Emotions- und Verhaltensstörungen. Das Syndrom betrifft sowohl Kinder als auch Erwachsene, wobei die Diagnosestellung meist im Kindesalter erfolgt. Zeigt sich eine Person hyperaktiv, impulsiv und unaufmerksam, kann dies ein Hinweis auf ADHS sein. Die Symptome können von Mensch zu Mensch variieren und unterscheiden sich häufig in Abhängigkeit davon, wann sie das erste Mal auftreten. Es können, je nach Schwere, medikamentöse sowie verhaltenstherapeutische Maßnahmen zur Behandlung ergriffen werden.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom wird vom sogenannten Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom, kurz ADS, unterschieden. Während sowohl ADS als auch ADHS durch eine starke Aufmerksamkeitsstörung gekennzeichnet sind, kommt bei dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom hinzu, dass die Betroffenen hyperaktiv sind.
Mediziner bezeichnen das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom auch als “hyperkinetisches Syndrom” (HKS). Andere Bezeichnungen für das Syndrom sind “hyperkinetische Störung” oder umgangssprachlich “Zappelphilipp-Syndrom”.
Symptome
Typische Symptome des Syndroms sind Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit. Die Symptome können wie folgt auftreten:
- Verlangsamte Reaktion
- Vergesslichkeit
- Konzentrationsschwäche
- Leistungsschwäche (beispielsweise Rechtschreib- und Leseschwäche)
- Motorische Problematiken (Schreiben lernen, mit Besteck essen)
- Impulsive Reaktionen (Wutausbrüche)
- Emotionale Problematiken (beispielsweise Stimmungsschwankungen)
Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung kann von folgenden Symptomen begleitet werden:
- Tic-Störungen
- Reizbarkeit
- Angststörung
- Vergesslichkeit
- launenhaftes Verhalten
Eine Aufmerksamkeitsstörung tritt häufig vor dem 6. Lebensjahr auf und erreicht zwischen dem 7. und 11. Lebensjahr einen Höhepunkt. In der Zeit treten die Symptome meist deutlich hervor. Im Säuglingsalter kann das Syndrom in Form von Symptomen wie Unruhe und Schlafproblemen auftreten.
Des Weiteren können Nahrungsaufnahme sowie Verdauung Schwierigkeiten bereiten. Betroffene Säuglinge gelten als besonders gereizt und schreien häufig.
Im Kleinkindalter sind Kinder mit dem entsprechenden Syndrom meist hyperaktiv. Manche Kinder haben heftige Wutausbrüche.
Außerdem sind die Kinder in der motorischen Entwicklung häufig nicht auf dem Stand von Gleichaltrigen. In der Kindertagesstätte beziehungsweise im Kindergarten kann es zu einer Verschlimmerung der Symptome kommen, da die Kinder mehr Umgebungsreizen ausgesetzt sind.
Vor Allem wird das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom jedoch in der Grundschule wahrgenommen. Die Kinder haben eine Rechen- oder Rechtschreibschwäche, stören häufig den Unterricht und zeigen eine geringere Konzentrationsspanne als Gleichaltrige. Betroffene Kinder können zudem ungeschickt sowie aggressiv wirken.
Während der Pubertät kann es zu Aggressionen, Ängstlichkeit, übermäßigem Trotz oder Depressivität kommen. Auch riskantere Verhaltensweisen sind möglich.
Bei Erwachsenen kann sich ein untypisches Krankheitsbild zeigen, was oft dazu führt, dass die Erkrankung erst spät erkannt wird. Sie sind nicht zwangsweise hyperaktiv, zeigen aber häufig eine verminderte Leistungsfähigkeit und ein verringertes Selbstwertgefühl. Sie können Schwierigkeiten im Beruf oder in sozialen Beziehungen haben und neigen eher zu Suchterkrankungen.
Ursachen – warum Betroffene hyperaktiv sind
Obwohl die genauen Ursachen des Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndroms nicht bekannt sind, werden in der aktuellen Forschung folgende Auslöser vermutet:
- Genetische Veranlagung
- Psychosoziale Faktoren
- Erworbene Faktoren
Genetische Veranlagung
Bei Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom kann eine genetische Veranlagung vorliegen, die zu einer gestörten Signalübermittlung im Gehirn führt. Dass genetische Komponenten eine Rolle spielen, legen wissenschaftliche Forschungsergebnisse nahe. Es werden aber zusätzliche Faktoren vermutet, die für einen Ausbruch der Erkrankung mitverantwortlich sind. So könnte das Syndrom beispielsweise durch ein Zusammenspiel aus psychosozialen und neurobiologischen Faktoren auftreten.
Im Gehirn von Betroffenen mit entsprechender genetischer Veranlagung kommt es zu einer gestörten Nervensignal-Übertragung. Der Neurotransmitter (Stoff, der der Signalübertragung dient) Dopamin ist, im Vergleich zu nicht erkrankten Menschen, in geringerer Konzentration vorhanden. Reize können daher nicht im gleichen Maße verarbeitet werden, was Konzentrationsprobleme verursacht. Es wird vermutet, dass mehrere Gene an der Entstehung der Krankheit beteiligt sind. In vielen Fällen leiden auch Eltern, Geschwister oder Verwandte an dem Syndrom. Wenn ein Elternteil an dem Syndrom leidet, liegt das Risiko, dass ein Kind diese Störung aufweist, bei ca. 20 bis 40 Prozent.
Psychosoziale Faktoren
Es wird davon ausgegangen, dass das Lebensumfeld von Kindern eine Rolle spielt. Die alleinige Ursache für das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom ist es allerdings nicht. Neigt ein Kind bereits dazu, eher hyperaktiv und unaufmerksam zu sein, können psychosoziale Faktoren das Entstehen einer manifesten Erkrankung begünstigen.
Erworbene Faktoren
Produkte & Dienstleistungen (0)Es wird davon ausgegangen, dass das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom auch erworbene Auslöser haben kann. Zu den erworbenen Faktoren, die eine Rolle spielen können, gehören Alkohol- sowie Drogenkonsum während der Schwangerschaft. Die Faktoren müssen nicht alleine für den Ausbruch des Syndroms verantwortlich sein, können die Störung allerdings begünstigen.
Diagnose
Nach einem Anfangsverdacht kann der Arzt bereits eine erste Diagnose durch Befragung sowie Beobachtung treffen. Seriös und ratsam ist es, durch neuropsychologische Tests (Untersuchung verschiedener Funktionen des Gehirns) sowie weiteren Untersuchungen Gewissheit zu erhalten. Des Weiteren werden Informationen von Vertrauenspersonen (Lehrer, Erzieher, Eltern) herangezogen.
Weitere wesentliche Hinweise, die zum Verdacht führen, dass ein Kind oder ein Jugendlicher unter einer Aufmerksamkeitsstörung leidet, sind das Auftreten von Symptomen wie Konzentrationsschwäche oder Impulsivität und die Frage, ob der Betroffene hyperaktiv ist. Die Symptome sollten allerdings über einen längeren Zeitraum bestehen und ausgeprägt sein. Eine kurzfristige Konzentrationsschwäche oder sporadische impulsive Handlungen, beispielsweise während der Pubertät, sind nicht unbedingt Anzeichen für eine Aufmerksamkeitsstörung.
Eine eindeutige Diagnose sollte allerdings ein fachkundiger Arzt stellen.
Einen allgemeingültigen ADHS-Test gibt es nicht. Zur Diagnostik werden meist mehrere Faktoren herangezogen wie beispielsweise:
- Familiäre Erkrankungen
- Schwangerschaftskomplikationen
- Leistungs- und Sozialverhalten
- Situation der Familie
- Psychologische Testverfahren
- Körperliche Untersuchung
Im Rahmen psychologischer Testverfahren werden beispielsweise Aufmerksamkeitstests durchgeführt und IQ-Fragebögen beantwortet. Auch Selbstbeurteilungsbögen spielen eine Rolle. Selbstverständlich sollte eine körperliche Untersuchung durchgeführt werden, um andere Krankheitsbilder auszuschließen. Mit neurologischen Tests und weiteren medizinischen Untersuchungen können Krankheiten, die eine ähnliche Symptomatik wie ADHS aufweisen, ausgeschlossen werden.
Ähnliche Symptome können bei folgenden Erkrankungen auftreten:
- Epilepsie
- Tic-Störungen
- Autismus
- Psychosen
- Lese-Rechtschreib-Schwächen
Therapie
Ist eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung diagnostiziert, geben Psychologen und Ärzte, entsprechend des Schweregrades der Aufmerksamkeitsstörung, eine Therapie-Empfehlung. Ziel einer Therapie ist es, die Symptome zu mildern und beispielsweise Impulsivität, Hyperaktivität sowie Unaufmerksamkeit entgegenzuwirken. Eine Aufmerksamkeitsstörung kann individuell und angepasst therapiert werden. Je nach Schweregrad kann ein multimodaler Therapie-Ansatz angebracht sein. Das bedeutet, dass Therapieansätze wie Bewältigungsstrategien, Verhaltenstherapie sowie eine medikamentöse Behandlung kombiniert werden können.
In einem Kombinationstraining werden, neben den betroffenen Kindern, auch Lehrer und Eltern an der Therapie beteiligt. Es wird mit allen Beteiligten beispielsweise trainiert, einen verlässlichen Tagesablauf einzuhalten.
Verhaltenstherapie
In einer Verhaltenstherapie lernen Betroffene, damit umzugehen, dass sie sowohl hyperaktiv als auch unaufmerksam sind und dieses Verhalten zu unterdrücken. Ziel einer Therapie ist es, dass der Betroffene seinen Tagesablauf bewältigen und ein weitgehend normales Leben führen kann. Neben der Verhaltenstherapie wird häufig auch eine Therapie empfohlen, die die motorischen Fähigkeiten verbessert (beispielsweise Physiotherapie).
Behandlung mit Medikamenten
Je nach Symptomatik und Schweregrad der Aufmerksamkeitsstörung werden auch Medikamente zur Behandlung eingesetzt. Beispielsweise können bestimmte Medikamente dazu beitragen, die Hyperaktivität zu hemmen. Die Hemmung der Hyperaktivität soll dazu führen, dass der Betroffene motivierter, leistungsfähiger und aufmerksamer ist. Bei betroffenen Jugendlichen und Kindern wird eine medikamentöse Behandlung eingesetzt, um eine bessere Selbstkontrolle zu ermöglichen.
Medikamente, die zum Einsatz kommen, sind beispielsweise Methylphenidat sowie Amphetamine. Die Substanzen gehören zu den Psychostimulanzien und verlängern die Wirkdauer von Noradrenalin und Dopamin (Nervenbotenstoffe) im Gehirn des Menschen. Ungefähr 85 Prozent der Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom sprechen auf die Behandlung mit den genannten Substanzen an.
Es können nicht nur Psychostimulanzien zur medikamentösen Behandlung der Aufmerksamkeitsstörung genutzt werden. Alternative Wirkstoffe wie beispielsweise Atomoxetin, ein selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRA), können verschrieben werden. Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer sorgen dafür, dass die Konzentration von Noradrenalin im synaptischen Spalt (zwischen Nervenenden) steigt.
Zur medikamentösen Behandlung einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung haben in Deutschland folgende Wirkstoffe eine Zulassung erhalten:
- Methylphenidat
- Dexamfetamin
- Lisdexamfetamin
- Atomoxetin
Nebenwirkungen
Mögliche Nebenwirkungen, die durch Stimulanzien auftreten können, sind Schlafstörungen, Appetitlosigkeit sowie Bauch- oder Kopfschmerzen. Weitere Nebenwirkungen können dem Beipackzettel des jeweiligen Präparates entnommen werden. Unter einem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom können auch Erwachsene leiden (ADHS Erwachsene). Egal, ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener, wenn eine Aufmerksamkeitsstörung vermutet wird, sollte unbedingt ein Arzt konsultiert werden.