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Chinarestaurant-Syndrom – ein Mythos?
Das sogenannte „Chinarestaurant-Syndrom“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für eine Glutamat-Unverträglichkeit. Erstmals wurde das Phänomen 1968 von einem US-amerikanischen Arzt beschrieben, der über Symptome klagte, die er immer wieder nach dem Aufsuchen eines Chinarestaurants empfunden hat. 1969 wurde erstmals die Hypothese aufgestellt, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen Glutamat (das besonders in der asiatischen Küche und insbesondere in chinesischen Restaurants eine herausragende Rolle spielt) und den beschriebenen Symptomen gäbe.
Es folgten mehrere Einzelfälle und vermehrt bezeichneten sich Menschen als allergisch auf oder empfindlich gegenüber diesem Geschmacksverstärker. Gemeint war in der Regel das als Geschmacksverstärker beigefügte Mononatriumglutamat, welches als Salz zum Abrunden von Geschmäckern verwendet wird. Es folgten mehrere Studien zu diesem neu aufgekommenen Syndrom.
Doch ist Glutamat wirklich der Auslöser des China-Restaurant-Syndroms? Diese Frage soll hier beantwortet werden.

Symptome der Glutamat-Unverträglichkeit
Die beschriebenen Symptome, die im Zusammenhang mit dieser Unverträglichkeit stehen, variieren. Beschrieben wird allerdings häufig ein Schwindelgefühl, das im Einzelfall sehr stark sein kann. Auch gehören zum Symptomkomplex das Auftreten von Rötungen, ein Kribbelgefühl im Hals, an den Wangen oder im Nacken und eine veränderte Wahrnehmung im Mundraum. Dieser kann sich zum Beispiel trocken anfühlen oder im Falle von Übelkeit kommt es zu vermehrter Speichelbildung. Herzrasen, empfundene Hitze, Kopfschmerzen, Schwitzen und Gesichtsmuskellähmungen werden ebenfalls beschrieben. Das Ausmaß der Symptome kann sehr unterschiedlich ausfallen.
Was Glutamat genau ist und worin es enthalten ist
Glutamate sind die Ester und Salze der Glutaminsäure, die zu den Aminosäuren zählt. Das Salz der L‑Glutaminsäure ist das am häufigsten verwendete und somit auch das, was umgangssprachlich mit Glutamat gemeint ist. Dabei wird in der Regel das Mononatriumglutamat verwendet, aber es gibt noch weitere Salze. Diese spielen allerdings nur eine geringe Rolle in der Lebensmittelwirtschaft.
Glutaminsäure befindet sich natürlicherweise in nahezu allen proteinhaltigen Lebensmitteln in nicht unerheblichen Mengen. Käse, Fleisch, Pilze, Fisch und Tomaten enthalten L‑Glutaminsäure in großen Mengen, wobei sie hier für einen bestimmten Geschmack verantwortlich sind: umami. Dieser Geschmack wurde von Kikunae Ikeda 1908 beschrieben, um die weitere Geschmacksqualität – nebst bitter, salzig, süß und sauer – zu beschreiben. Der Japaner konnte nachweisen, dass Glutaminsäure und die damit assoziierten Salze für den Wohlgeschmack verantwortlich sind. Er isolierte hierfür erfolgreich Glutamat aus einem bestimmten, in der japanischen Küche verwendeten Seetang. Damit war der Nachweis erbracht, dass Glutamat für den bestimmten Geschmack entscheidend ist.
Glutaminsäure wurde allerdings schon vorher entdeckt: 1866 isolierte der deutsche Chemiker Heinrich Ritthausen sie aus Weizengluten. Die Glutaminsäure ist somit in allen wesentlichen Nahrungsbestandteilen der menschlichen Ernährung enthalten. Glutamate kommen entsprechend ebenfalls in allen möglichen Lebensmitteln in nicht unerheblichen Mengen vor. Es wird geschätzt, dass die in Europa übliche Mischkost bis zu 12 Gramm Glutamat enthält. Es handelt sich hierbei um eine täglich aufgenommene Menge, die in ostasiatischen Ländern durch den Einsatz von Fischsauce und Sojasauce noch weit höher sein dürfte. Dennoch ist die Glutamat-Unverträglichkeit in Asien nahezu unbekannt.
Synthetisch gewonnene Glutamate sind chemisch mit den natürlich vorkommenden Glutamaten identisch und werden vom menschlichen Körper auch gleich verstoffwechselt. Er kann also nicht zwischen „echten“ und „künstlichen“ Glutamaten unterscheiden. Zudem bildet er auch selbst Glutamat, welches als Neurotransmitter dient.
Zugesetzte Glutamate tragen die Kennzeichnung E 621 bis E 625. Bei E 620 handelt es sich um Glutaminsäure.
Wissenschaftlicher Standpunkt zur Glutamat-Unverträglichkeit
In beinahe allen Fällen von beschriebener Glutamat-Unverträglichkeit handelt es sich um dokumentierte Einzelfälle, die – unabhängig von Studien oder echten ärztlichen Kontrollen – veröffentlicht wurden. Sie zeigen nie eine Kausalität auf und häufig lediglich, dass der Betroffene vorher entsprechend asiatisches Essen zu sich genommen hat.
Doppelblindstudien kamen lediglich zu dem Ergebnis, dass selbst Menschen, die sich als empfindlich gegenüber dem genannten Geschmacksverstärker bezeichnen, nicht unbedingt auf Speisen reagieren, denen Glutamat zugesetzt wurde. Der Effekt gilt somit als nicht reproduzierbar. Stattdessen wurden sogar Fälle bekannt, in denen Menschen auf glutamatfreie Speisen mit den Symptomen einer angeblichen Glutamat-Unverträglichkeit reagierten – insofern sie vorher annahmen, dass sie am „Chinarestaurant-Syndrom“ leiden.
Eine psychosomatische Komponente kann daher nicht ausgeschlossen werden. Es konnte zudem noch nie ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Glutamat in üblichen Mengen (also in der Menge, in der es natürlich in Lebensmitteln enthalten ist und auch in der Menge, in der es üblicherweise bestimmten Gerichten beigesetzt wird), festgestellt werden.
Plausibler ist hingegen eine andere Hypothese: Es ist nämlich so, dass asiatisches Essen, das hier besonders im Fokus steht, mit einer Vielzahl „exotischer“ Zutaten zubereitet wird. Darunter finden sich etwa fremde Gewürze, Schalentiere, Nüsse und diverse Pilze. Dass ein menschlicher Körper hierauf reagiert, ist nicht ausgeschlossen. Allergien gegen kaum bekannte Lebensmittel oder Inhaltsstoffe von Würzsaucen kommen vor.
Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keinen Grund, den unter Verdacht stehenden Geschmacksverstärker aktiv zu meiden, was aufgrund des Vorkommens in vielen Lebensmitteln auch nur schwerlich möglich ist. Die letale Dosis von Glutamat liegt indes sogar höher als beim Kochsalz (Natriumchlorid).
Glutamat und Krankheiten
Glutamat steht im Verdacht, den Appetit zu steigern und gleichzeitig das Sättigungsgefühl weniger lang anhalten zu lassen. Eine 1990 von Peter J. Rogers durchgeführte Studie legt zumindest nahe, dass den Probanden mit dem Geschmacksverstärker angereicherte Brühe besser schmeckte und sie danach schneller wieder Hunger hatten. Es ist möglich, dass Glutamat zu einem gesteigerten Appetit führt. Das Risiko für Übergewicht und die Folgen können durch einen erhöhten Verzehr des Geschmacksverstärkers steigen. Allerdings findet es sich ohnehin in allen Fertiggerichten und auch im Fast Food in großen Mengen. Das Problem kann also auch in den Speisen begründet sein.
Da es sich bei dem Geschmacksverstärker um einen Botenstoff, der im Hirn aktiv ist, handelt, gab und gibt es Untersuchungen, die unter anderem einen Zusammenhang mit Alzheimer abklären sollen. So kommt es bei Alzheimer-Patienten häufig zu einem erhöhten Glutamat-Spiegel im Gehirn. Da zugeführtes Glutamat allerdings die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren kann, handelt es sich hierbei um vom Körper selbst gebildetes Glutamat. Zugeführtes Glutamat lässt diesen Spiegel nicht ansteigen und wirkt sich entsprechend auch nicht auf die Krankheit oder das Krankheitsrisiko aus.
Glutamate sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht mit Krankheiten in Verbindung zu bringen. Im Übrigen enthält Muttermilch elfmal so viel Glutamat wie Kuhmilch.
Was zur Glutamat-Unverträglichkeit insgesamt zu sagen ist
Das „Chinarestaurant-Syndrom“ ist wohl einer jener hartnäckigen Mythen, die sich aufgrund von Unkenntnis, Aberglaube und dem Drang, gegen etwas zu sein, weiter in Gesellschaften fortpflanzen. Schon die Tatsachen, dass dieses angebliche Leiden in Asien nahezu unbekannt ist und es sich sogar in Tomaten befindet, spricht gegen die Existenz einer Unverträglichkeit. Glutamat ist schließlich ähnlich präsent wie Peptide oder Wasser.
Tatsächlich verspüren viele nach dem Besuch eines chinesischen (oder japanischen, koreanischen, laotischen, thailändischen, …) Restaurants Übelkeit.
- allergisch gegenüber einer anderen Zutaten
- empfindlich gegenüber der ungewohnten Kost
- im falschen, weil schlechten, Restaurant