Dissoziative Störungen

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    Dissoziative Störungen

    Die gespaltene Seele

    Das Wort „Dis­so­zia­ti­on“ lässt sich wohl am bes­ten mit „Zer­fall“ über­set­zen. Im medi­zi­ni­schen Kon­text ver­steht man dar­un­ter, dass die Wahr­neh­mung von äuße­ren Rei­zen kein Gesamt­bild mehr ergibt, son­dern in gewis­ser Wei­se „zer­fällt“. Leicht For­men der Dis­so­zia­ti­on ken­nen vie­le Menschen.

    Dar­un­ter fällt bei­spiels­wei­se das Gefühl, wie in Wat­te gepackt zu sein oder eine Sze­ne nur von außen zu betrach­ten. In Stress­si­tua­tio­nen kann so etwas gele­gent­lich auf­tre­ten und muss noch kei­nen Krank­heits­wert haben. Dis­so­zia­ti­ve Stö­run­gen zeich­nen sich jedoch durch eine stär­ke­re Aus­prä­gun­gen die­ser „Spal­tung“ aus. In man­chen Fäl­len kön­nen die­se auch chro­nisch werden.

    Alles Wich­ti­ge in Kürze:

    • Dis­so­zia­tio­nen die­nen oft­mals als Selbstschutz.
    • Es gibt unter­schied­li­che Arten von Dis­so­zia­ti­ven Stö­run­gen, die sich eben­falls in ihrer Stär­ke unterscheiden.
    • Betrof­fe­ne kön­nen sich Hil­fe bei einem The­ra­peu­ten suchen, um den Grund der Dis­so­zia­ti­ve aufzulösen.

    Mögliche Auslöser für Dissoziative Störungen

    Dis­so­zia­ti­ve Stö­run­gen tre­ten meis­tens im Rah­men von schwe­ren trau­ma­ti­schen Erleb­nis­sen auf. Außer­dem scheint die Stö­rung gehäuft bei emo­tio­nal insta­bi­len Per­sön­lich­keits­stö­run­gen auch ohne trau­ma­ti­sche Erleb­nis­se auf­zu­tre­ten. Dabei ist die Dis­so­zia­ti­on wahr­schein­lich ein Ver­such der Psy­che, zu belas­ten­den Situa­tio­nen zu ent­kom­men. Dies soll einen Schutz vor Erin­ne­run­gen dar­stel­len, die sonst nur schwer ver­ar­bei­tet wer­den könnten.

    Ausprägungen der Dissoziation

    Die Dis­so­zia­ti­ve Stö­rung kann sich auf ganz unter­schied­li­che Wei­sen zei­gen. In den meis­ten Fäl­len betrifft die­se Spal­tung ent­we­der Sin­nes­wahr­neh­mun­gen oder moto­ri­sche Funk­tio­nen. Manch­mal kann man eine Dis­so­zia­ti­on durch bestimm­te Din­ge („trig­ger“) die an das Trau­ma erin­nern auslösen.

    Dissoziative Amnesie

    Unter die­ser Form der Dis­so­zia­ti­on ver­steht man einen völ­li­gen Gedächt­nis­ver­lust für die Zeit des trau­ma­ti­schen bzw. belas­ten­den Ereig­nis­ses. Bei­spiels­wei­se kön­nen Unfall­her­gän­ge nicht mehr rekon­stru­iert wer­den oder eine Miss­hand­lung in der Kind­heit ist nicht mehr erinnerlich.

    Dissoziative Bewegungsstörungen

    Die Bewe­gungs­stö­run­gen ist die häu­figs­te Form der Dis­so­zia­ti­ven Stö­run­gen. Jedoch sind sie auch mit die­je­ni­gen Stö­run­gen, die am häu­figs­ten einer Fehl­dia­gno­se unter­lie­gen. Hier­bei kommt es zu kör­per­li­chen Funk­ti­ons­aus­fäl­len wie Läh­mun­gen oder Sprach­ver­lust. Sowohl vor­über­ge­hen­de als auch andau­ern­de Aus­fäl­le sind mög­lich. Kann bei kör­per­li­chen Beein­träch­ti­gun­gen nach aus­führ­li­cher Unter­su­chung kei­ne Ursa­che gefun­den wer­den, soll­te man immer auch eine Dis­so­zia­ti­ve Stö­rung in Betracht ziehen.

    Dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen

    Wie bei den Bewe­gungs­stö­run­gen kön­nen auch hier eines oder meh­re­re Sin­nes­or­ga­ne vor­über­ge­hend oder dau­er­haft betrof­fen sein und soll­ten bei feh­len­den kör­per­li­chen Ursa­chen abge­klärt wer­den. Sowohl eine Emp­fin­dungs­stö­rung der Haut als auch Erblin­dung oder Taub­heit kön­nen auftreten.

    Dissoziative Fugue

    „Fugue“ bedeu­tet „Flucht“ und meint in die­sem Zusam­men­hang, dass Betrof­fe­ne plötz­lich flie­hen und aus ihrem Umfeld ver­schwin­den. Nach der Flucht ist die Erin­ne­rung an das Ereig­nis gelöscht und die Per­so­nen wis­sen oft nicht, wie sie an einen Ort gekom­men sind. Einer­seits ist es mög­lich, dass die Epi­so­de nur kurz anhält und man sich im nächs­ten Super­markt wie­der­fin­det, ohne sich an den Weg zu erin­nern. Ande­rer­seits kann eine Dis­so­zia­ti­ve Fugue über Tage, Wochen oder sogar Mona­te gehen und es ist mög­lich, dass ande­re Iden­ti­tä­ten ange­nom­men wer­den und sich die Per­son anschlie­ßend in einer ande­ren Stadt wiederfindet.

    Dissoziativer Stupor

    Stu­por meint eine beein­träch­tig­te und ver­lang­sam­te oder ganz feh­len­de Reak­ti­on auf äuße­re Rei­ze. Bei einem Dis­so­zia­ti­ven Stu­por wir­ken die Per­so­nen wie weg­ge­tre­ten oder sogar bewusstlos.

    Dissoziative Krampfanfälle

    In einer Dis­so­zia­ti­on kann es auch zu soge­nann­ten Dis­so­zia­ti­ven Krampf­an­fäl­len füh­ren. Für außen­ste­hen­de kön­nen die­se nur schwer von einem Epi­lep­ti­schen Anfall zu unter­schei­den sein. Im Gegen­satz zu kör­per­lich beding­ten Krampf­an­fäl­len tre­ten die­se aber ver­mehrt in bestimm­te Situa­tio­nen auf und es kommt in der Regel nicht zu einem Zun­gen­biss oder Kot/Urin Abgang.

    Erste-Hilfe-Maßnahmen und Therapie

    Weiß man von einer Per­son, dass sie an einer Dis­so­zia­ti­ven Stö­rung lei­det, kann man ihnen in der Akut­si­tua­ti­on oft am bes­ten mit Acht­sam­keits­übun­gen hel­fen, aus der Dis­so­zia­ti­on zurück ins jetzt zu fin­den. Dabei han­delt es sich um Übun­gen, die auf die Wahr­neh­mung des jetzt abzie­hen. Zum Bei­spiel kann man ver­su­chen mit der Per­son Din­ge zu benen­nen, die gera­de im Raum ste­hen. Aller­dings ist es wich­tig, viel Geduld und Ver­ständ­nis auf­zu­brin­gen, da eine Dis­so­zia­ti­on nicht immer so leicht durch­bro­chen wer­den kann.

    Wich­tig ist vor allem eine The­ra­peu­ti­sche Betreu­ung und das Auf­ar­bei­ten des Trau­mas oder des belas­ten­den Ereig­nis­ses. Dies kann situa­ti­ons­ab­hän­gig ent­we­der ambu­lant, teil­sta­tio­när oder sta­tio­när erfol­gen. Gege­be­nen­falls ist der unter­stüt­zen­de Ein­satz von Medi­ka­men­ten wie Anti­de­pres­si­va sinnvoll.

    Quellen

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    Dr. med. Natascha Kern
    Unse­re Exper­tin: Dr. med. Nata­scha KernÄrz­tinArzt/Ärztin nach gel­ten­der Approbationsordnung
    Dr. Nata­scha Kern stu­dier­te Human­me­di­zin an der Johann Wolf­gang von Goe­the-Uni­ver­si­tät in Frank­furt am Main. Sie arbei­tet am Insti­tut für Rechts­me­di­zin in Frank­furt. Zwi­schen 2017 und Ende 2019 schreibt sie als Gast­au­torin auch für Health Rise.