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Miteinander der Generationen statt Isolation — demografischer Wandel und seine Auswirkungen
Wie wollen wir zusammenleben? Welche Auswirkungen hat der hohe und steigende Altersdurchschnitt der Bevölkerung? Diese und weitere Fragen werden besonders oft am ersten Mittwoch des Aprils diskutiert. Warum? An diesem Tag ist der “Tag der älteren Generation”, der 2018 auf den 04.04. fällt.
Deutschland schrumpft
Das durchschnittliche Alter in Deutschland steigt stetig. Es werden weniger Babys geboren, zugleich werden wir durch moderne Medizin und unseren Wohlstand immer älter. 2015 lag die Differenz zwischen Sterbefällen und Geburten bei 187.000 Menschen — die Gesamtbevölkerung schrumpft also, abgesehen von teils größeren Einwanderungswellen. Zusammengefasst nennt sich dieser Umstand demographischer Wandel. Diese Entwicklung hat Auswirkungen, denn Senioren haben andere Bedürfnisse als jüngere Menschen. Je mehr Deutsche älter sind, desto höher wird auch deren politischer Einfluss. Es geht dabei um Verteilungsfragen, um die Ausrichtung der Politik, um Konservatismus oder Progression.
Zugleich tut sich aber auch eine ganz persönliche Ebene auf: Familien verlieren durch Individualisierung an Stellenwert und werden durch Arbeitszwänge auch räumlich auseinandergerissen. Des Weiteren wird die Frage einer menschengerechten Pflege immer drängender. Diese steht oft nur aus finanziellen Erwägungen auf der Agenda des Bundestages.
Der Altersdurchschnitt variiert regional
Das Bundesamt für Bevölkerungsforschung veröffentlichte zuletzt im Jahr 2015 das arithmetische Mittel des Lebensalters in der Bundesrepublik. So sind Männer im Schnitt 42,8 Jahre und Frauen 45,6 Jahre alt. Die Verteilung von jungen Leuten auf die Regionen Deutschlands verhält sich jedoch höchst unterschiedlich. Abgesehen von den Metropolen, die wie ein Magnet für junge Leute wirken, hängt ein relativ geringes Durchschnittsalter insbesondere von der Wirtschaftskraft ab.
So haben die Bundesländer Bayern und Baden-Würtemberg aufgrund ihrer geringen Arbeitslosigkeit noch die geringsten Probleme mit Abwanderung der Jugend, wenngleich auch hier die Landflucht ein Thema ist. Insgesamt haben mit Ausnahme von Berlin die ostdeutschen Bundesländer den höchsten Altersdurchschnitt und die größten Sorgen in Sachen demografischer Wandel. Vor der Wende war die DDR jedoch jugendlicher geprägt als die BRD. Junge Leute ziehen also aus wirtschaftsschwachen Regionen weg, während die ältere Generation sesshaft bleibt.
Dies wirkt sich selbstverstärkend aus — je mehr gut ausgebildete Männer und Frauen eine Region verlassen, desto unattraktiver wird sie, desto mehr junge Leute ziehen nach. Das heißt auch, dass der Nachwuchs junger Pärchen woanders geboren wird. Migration kann diesen Trend abschwächen, denn in der Regel wandern junge Menschen ein. Man bräuchte langfristig jedoch sehr viele Einwanderer, um den Altersschnitt zu halten. Die Akzeptanz, sich als Einwanderungsland zu definieren, ist in Deutschland derzeit noch nicht gegeben.
Senioren haben eine umfassende Bedeutung
Ältere Männer und Frauen sind politisch eher konservativ und sind Veränderungen, d. h. Reformen gegenüber weniger aufgeschlossen. Zugleich sind sie eine eigene Lobbygruppe, meist ohne sich dessen bewusst zu sein. Ihre Konsumausgaben, ihre Wählerstimmen und ihr gesellschaftliches Engagement haben großen wirtschaftlichen Einfluss.
Produkte & Dienstleistungen (0)Senioren leisten jedes Jahr Milliarden Stunden unbezahlte Arbeit, ob Familienarbeit, als Mitglied eines gemeinnützigen Vereins, in politischen Parteien, Gemeindearbeit oder Flüchtlingshilfe. Die Würdigung dafür kommt zu oft nur von Altersgenossen, statt auch von den jüngeren Generationen. Auch Geldspenden kommen größtenteils von älteren Menschen — sie bestimmen maßgeblich, inwieweit sinnvolle Projekte von Tafeln, Entwicklungshilfe, Umweltschutz usw. außerhalb des Staatswesens Berechtigung erfahren.
Nicht nur am 04.04.2018 in den Dialog treten
Es wird höchste Zeit, dass die Generationen wieder zusammenfinden und sich nicht aufgrund ihres Alters separieren. Junge Leute können von den Erfahrungen älterer Generationen profitieren, während alte Menschen ebenso am Wissen Jüngerer partizipieren können. Wer als heute 30-Jähriger etwas vom Kalten Krieg und der deutschen Teilung erfahren möchte, braucht nicht ins Museum gehen, sondern kann seine Eltern und Großeltern befragen. Dies geschieht zu selten.
Neben hautnahem Geschichtsunterricht und der Vermittlung von Wissen und Erfahrungen ist auch die Arbeitsteilung der Generationen ein großes Thema. Viele Ältere fühlen sich nach dem Ende ihrer Erwerbsarbeit nicht mehr gebraucht und vereinsamen zusehends. Dies führt zu Depressionen und geistigem wie körperlichem Abbau.
Abhilfe können Modelle wie Mehrgenerationenhäuser schaffen, in denen alte und junge Menschen in nahezu symbiotischer Nachbarschaft wohnen, in der jeder Aufgaben nachgeht, die persönliche Beziehung zueinander bedingen. Beispiele sind Nachhilfe, Kinderbetreuung oder gemeinsames Kochen wie auch Hilfe in der Alltagsbewältigung bei den Senioren.
In Aktion treten
Der Tag der älteren Generation ist ein hervorragender Anlass, sich den Riss in der Gesellschaft abseits von Arm und Reich, Ost und West oder Akademikern und Arbeitern überhaupt erst bewusst zu machen. Am Prozess, diesen Riss zu kitten, kann jeder teilhaben. Dazu braucht es nicht viel — jeder kann sich sinnvoll vor seiner Tür betätigen. Das fängt schon an mit der Teilnahme an Familienfesten und dem höflichen Angebot an die ältere Nachbarin, dass sie gerne klingeln könne, wenn sie Hilfe benötige. Kurz: Miteinander sprechen statt übereinander. Die ältere Generation hat noch längst nicht ausgedient.