Die Alkoholsucht ist eine weitverbreitete Krankheit. Sie kann die Gesundheit und den gesellschaftlichen Status ruinieren. Doch wie entsteht die Sucht und wie ist sie heilbar? Und ab wann gilt ein Mensch überhaupt als Alkoholiker?
- Eine Sucht besteht, wenn das Umfeld darunter leidet.
- Eine Alkoholerkrankung geht in vielen Fällen mit psychischen Problemen einher.
- Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder Ärzte sind erste Ansprechpartner.
Inhaltsverzeichnis
Definition von Alkoholsucht
Es gibt verschiedene Definitionen von Alkoholismus. Entsprechend gibt es ein paar Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit von Sucht gesprochen werden kann. Die Definition ist somit nicht starr und unterscheidet sich von Land zu Land und im Einzelfall.
Diagnose: Ab wann gilt man als Alkoholiker
Anzeichen für eine Alkoholkrankheit sind:
- das Unvermögen, die Trinkmenge zu kontrollieren;
- regelmäßiges oder tägliches Trinken;
- Verlangen nach Alkohol;
- körperliche Entzugssymptome;
- Alkoholtoleranz;
- Einengung der Interessen zugunsten des Alkohols;
- Bereitschaft, trotz negativer Folgen weiter zu trinken.
Nicht alle Punkte sind zwingend, es genügt, wenn nur wenige erfüllt sind. Die meisten bauen aufeinander auf. Auffallend ist jedoch, dass ein regelmäßiger Vollrausch überhaupt kein Kriterium ist. So gibt es etwa Alkoholiker, die viel und regelmäßig trinken, aber dabei ihren Pflichten uneingeschränkt nachkommen. Diese Menschen bezeichnet man als funktionale Alkoholiker und die Dunkelziffer der Betroffenen dürfte sehr hoch sein. So trinken allein in Deutschland fast zehn Millionen Menschen aus gesundheitlicher Sicht zu viel. Etwa 1,3 Millionen gelten als alkoholkrank.
Eine genau definierte Menge an Alkohol, ab der man als Alkoholiker gilt, gibt es nicht. Bei den meisten Menschen entwickelt sich die Abhängigkeit im Laufe mehrerer Jahre, in denen nach und nach eine Regelmäßigkeit hergestellt wird, die auch nicht mehr hinterfragt wird. Es kommt zum sehr häufigen, ausgedehnten Konsum und schließlich auch zum anlass- und grundlosen Trinken. Faktoren wie Depressionen, Unzufriedenheit, genetische Faktoren und ein entsprechendes Umfeld verstärken dies. Eine Alkoholsucht kündigt sich somit durch eine Regelmäßigkeit in der Trinkgewohnheit an und nicht zwingend durch die Menge.
Auch bei jemandem, der täglich drei Dosen Bier trinkt, kann eine Sucht vorliegen. Dass diese sich anders auswirkt als etwa das verbreitete Bild des Alkoholikers, der bereits morgens eine halbe Flasche Hochprozentiges braucht, liegt auf der Hand. Das Problem, den Alkohol nicht einfach weglassen zu können, verbindet alle Betroffenen.
Phasen der Alkoholabhängigkeit
Nach Jellinek durchläuft ein alkoholkranker Mensch vier Phasen während der Alkoholabhängigkeit.
In der voralkoholische Phase wird zunächst in einem, in unserer Gesellschaft üblichen, Rahmen Alkohol getrunken. Dazu zählt der Alkoholkonsum bei Festen und Feiern oder ab und an mal ein Feierabendbierchen. Ein Großteil der Bevölkerung bleibt in dieser Phase des Alkoholkonsums.
Bei einigen Menschen entwickelt sich aus dem anfänglichen Trinken aus Geselligkeit aber ein Trinken der Wirkung wegen. Die Betroffenen können ihre Sorgen für den Moment wegspülen und verdrängen durch den Alkohol ihre Sorgen. Durch diese vermeintlich befreiende Wirkung entsteht schnell eine Abhängigkeit und Betroffene suchen nun aktiv nach Gelegenheiten zum Trinken. Die Anfangsphase der Alkoholsucht ist erreicht. Diese Phase wird gekennzeichnet durch ein ständiges Verlangen nach alkoholischen Getränken. Auch wenn der Betroffene dies erkennt, führt ihn das schlechte Gewissen nur wieder zum Glas. Ein Teufelskreis entsteht, der den Alkoholkranken tiefer in den Alkoholismus zieht.
In der dritten Phase, die kritische Phase genannt wird, leidet zunehmend das Umfeld des Alkoholkranken unter der Sucht. Familie, Arbeit und Aktivitäten in der Freizeit rücken zunehmend in den Hintergrund. Oftmals distanzieren sich soziale Kontakte zunehmend von dem Betroffenen zurück, was die psychische Verfassung weiter verschlechtern kann. In der kritischen Phase entsteht zudem eine körperliche Abhängigkeit vom Alkohol. Beim Versuch abstinent zu bleiben, treten Symptome wie Zittern oder übermäßige Schweißausbrüche auf.
Weitet sich der Alkoholrausch auf mehrere Tage in Folge aus, so spricht man nun von der chronischen Phase. Hier werden innere Organe des Betroffenen durch den Alkohol angegriffen und nachhaltig geschädigt. Es tritt ein sogenannter Toleranzbruch auf, nach dem der Betroffene schon nach geringen Mengen Alkohol schon stärkere Begleiterscheinungen des Alkoholkonsums aufweist als zuvor. In der Regel sind Alkoholiker in dieser Phase nicht mehr arbeitsfähig.
Die Folgen der Alkoholsucht
Körperliche Folgen
Alkohol ist, so rein er mittlerweile auch produziert sein mag, ein Zell- und Nervengift. Alkohol und seine Abbauprodukte schädigen dabei Schleimhäute, den Magen, den Darm und vor allem die Leber. Letztere muss den Körper entgiften, was bei Alkohol bedeutet, dass sie sich selbst mit einem potenten Zellgift anreichert, welches zum Absterben der Leberzellen führen kann. Es kommt zu kleinen Vernarbungen aufgrund des toten Gewebes, zu einem erhöhten Krebs- und Entzündungsrisiko und zu einer Zirrhose. Aus einer schweren, gesunden Leber wird so binnen mehrerer Jahre ein kaputtes Organ, das im schlimmsten Falle versagt. Oder aber es kommt infolge der Leberzirrhose zu einer Krampfaderbildung in der Speiseröhre, welche zu tödlichen Blutungen führen kann.
Weiterhin erhöht Alkoholkonsum das Risiko für Krebs im gesamten Verdauungstrakt und Mundraum. Nerven gehen an ihm zugrunde und es kann zu Hirnschäden kommen. Muskeln und Knochen werden geschwächt, das Herz-Kreislauf-System wird angegriffen. Der Stoffwechsel wird verlangsamt und Nährstoffe werden schlechter resorbiert.
Geistige Folgen
Produkte & Dienstleistungen (0)Das Gedächtnis baut ab. Im Kleinen ist der Filmriss als Folge eines heftigen Trinkgelages vielen Menschen bekannt. Jedoch kann Alkohol auch das Langzeitgedächtnis angreifen. Auch Persönlichkeitsveränderungen sind beschrieben. Häufig kommt es zu enormen Stimmungsschwankungen bei Alkoholikern. Eifersucht und Aggressivität häufen sich.
Folgen für die Leistungsfähigkeit
Im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit verringern sich die Leistungsfähigkeit und oft auch die ‑bereitschaft, während die Gedanken des Betroffenen meist um das Trinken kreisen. Die sozialen Folgen sind oftmals Isolation und der Verlust der Arbeit, was wiederum die Alkoholsucht befeuert.
Therapie
Vor der eigentlichen Therapie muss sich der Betroffene darüber bewusst werden, dass er an einer Sucht leidet und motiviert werden, an einer Lösung für das Alkoholproblem zu arbeiten. Dafür ist es zunächst wichtig, sich an einen Experten zu wenden.
Hilfe suchen
Es gibt kaum einen Alkoholiker, der sein Problem wirklich einsieht und sich selbst Hilfe holt. Dies geschieht in der Regel nur dann, wenn der Alkoholkonsum den Betroffenen wirklich etwas Großes gekostet hat, wie etwa den Job oder eine Partnerschaft. Ansonsten ist es meistens das Umfeld, das einen Alkoholkranken zu einer Therapie zu überreden versucht.
Hilfe können bei einer Alkoholsucht Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Ärzte geben.
Entgiftung
Am Anfang einer Therapie steht die Entgiftung. Diese kann stationär erfolgen, wenn die Entgiftungssymptome mutmaßlich bedrohlich werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Trinkmengen sehr groß waren. Während der Entgiftung wird der Betroffene mit Medikamenten, die vor allem den Blutdruck stabilisieren sollen, unterstützt. Zusätzlich werden Antidepressiva verwendet. Zudem wird oftmals ein Antipsychotikum verschrieben. Das Problematische am Alkoholentzug ist die Mischung aus körperlicher Überforderung und dem großen Einfluss auf die Psyche. Betroffene werden nicht selten aggressiv, verzweifelt oder leiden unter enormen Ängsten. In vielen Fällen führt ein Entzug allerdings nur zu eher schwachen Symptomen.
Psychotherapie
Es folgen Gesprächstherapien und das Formulieren einzuhaltender Ziele. Grundsätzlich wird einem therapierten Alkoholiker empfohlen, alles, was Alkohol enthalten kann, zu meiden, denn geringe Mengen können das Bedürfnis nach Alkohol neu wecken. Dies schließt auch Pralinen, alkoholfreies Bier (hier können bis zu 0,5 % Alkohol enthalten sein) und nicht frisch gepresste Fruchtsäfte mit ein.
In der Gesprächstherapie kommt vor allem die kognitive Verhaltenstherapie zum Zuge. Es wird die Sucht genau analysiert und verstanden. Motivierende Gespräche formulieren ergänzend hierzu weitere Ziele für den Therapierten. Es geht nicht darum, dem Alkoholkranken zu erklären, dass er krank ist und falsch handelt. Vielmehr geht es darum, die Kontrolle wieder komplett zurückzuerlangen, denn diese ging verloren.
Wenn die Alkoholsucht schon viele Bereiche des Lebens ge- oder zerstört hat, kommt der Therapie auch eine unterstützende Funktion zu. Ergänzt werden kann jede Therapie auch durch Treffen der Anonymen Alkoholiker oder durch vergleichbare Selbsthilfegruppen.
Erfolgschancen und Abstinenz
Eine konsequente und langjährige Abstinenz gelingt Alkoholkranken nur in 15 Prozent aller Fälle, wenn sie lediglich eine Entgiftung ohne anschließende Therapie durchlaufen haben. Ein schwerer Rückfall in das alte Trinkverhalten macht eine erneute Entgiftung mit anschließender Therapie unumgänglich. Die Abstinenzlerquote steigt mit der Anzahl durchlaufender Entgiftungen.
Beste Chancen auf ein Leben in Trockenheit haben Betroffene, die das Problem früh erkannt haben, aufhören wollen und ein stabiles Umfeld haben.
Dennoch ist festzuhalten, dass circa die Hälfte aller Therapierten vier Jahre nach einer Langzeittherapie rückfällig wird. Es kommt aber nicht in all diesen Fällen zum Wiederauftreten einer Sucht. Manchmal handelt es sich auch um einmalige oder gelegentliche Ausrutscher, die noch kontrolliert werden können.
Jedoch sind die Alkoholsucht und die entsprechende Therapie ein langjähriger Kampf. Unterstützung durch das Umfeld und der wirkliche Wille, das Trinken aufzugeben, sind förderlich für eine erfolgreiche Therapie. Abgeraten werden muss indes vom Konzept des kontrollierten Trinkens: Nur etwa 1,6 Prozent der mindestens einmal therapierten Alkoholkranken kann sich an dieses Konzept halten.
Quellen
- Bundesministerium für Gesundheit
- “Modern Hypnotic Treatment of Various Forms of Addiction, in Particular Alcoholism” D. Langen; British Journal of Addiction to alcohol and other drugs; 1967